Token. Sie sind für viele Krypto-Enthusiasten ein Begriff, und doch weiß keiner so recht, wie sie einzuordnen sind und welchen Wert sie genau repräsentieren. Dabei hat der dahinter liegende Prozess der Tokenisierung das Potenzial, Wertschöpfung auf der ganzen Welt zu verändern.
Im Grunde geht es darum, den Besitz digitaler oder realer Vermögenswerte auf der Blockchain festzuhalten. Es kann sich schon um etwas Einfaches, wie Gemälde oder Anteile an einer Solaranlage, handeln. Dieser würde, im entsprechenden rechtlichen Rahmen, als Token auf der Blockchain abgebildet. Der Token wiederum repräsentiert dann den Besitz des Gemäldes. Die Anwendungsfälle für diese ebenso simple wie geniale Idee sind nahezu unerschöpflich.
Allerdings stehen dem Ganzen noch einige Herausforderungen im Wege. So bringt diese großartige Idee nichts, wenn sie nicht auch in einen regulatorischen Rahmen eingebettet ist und mit dem Tokenstandard einer etablierten Blockchain übereinstimmt.
Der Berliner Technologieanbieter tokenforge beschäftigt sich mit genau diesen Herausforderungen sowie mit der Blockchain-Technologie an sich. Laut Mitbegründer Moritz Stumpf ist es die Vision, Unternehmen einen gesetzeskonformen Baukasten, ähnlich WordPress, für die eigenständige Tokenisierung von Vermögenswerten bereitzustellen. Kunden sollen ganz unkompliziert die Möglichkeit haben, einen eigenen Token nach individuellem Anwendungsfall erstellen zu können.
Schon damals wickelte Moritz Stumpf als freiberuflicher Programmierer Projekte für namhafte Unternehmen, wie Wincor Nixdorf, Schindler und Marquard & Bahls ab. Im Jahr 2017 erkannte er das Potenzial von Blockchain und beschloss, sich auf Distributed Ledger Technologies zu konzentrieren.
Kurz darauf gründete er ein Beratungsunternehmen auf und leitete mehrere Projekte mit namhaften Unternehmen. Anschließend gründete er zusammen mit zwei weiteren Kollegen das Unternehmen tokenforge und übernahm das Ruder als CEO.
Heute ist er ein erfahrener Blockchain-Venture-Stratege mit fast einem Jahrzehnt an Erfahrung.
BeInCrypto traf sich mit Moritz Stumpf, um ihm einige Fragen zu tokenforge und dem Thema Tokenisierung zu stellen. Hier das Interview.
BeInCrypto: In welchen Bereichen ist Tokenisierung möglich und wo ist es sinnvoll?
Moritz Stumpf: Möglich ist es wohl in jedem Bereich, allerdings ergibt es nicht immer Sinn. Aus unternehmerischer Sicht sollte es einen wirtschaftlichen sowie wertschöpfenden Mehrwert mit sich bringen. Mit letzterem meine ich insbesondere die Optimierung von Prozessen. Tokenisierung löst Vertrauensprobleme, denn die Blockchain ermöglicht, unverfälscht Daten zu erheben und sich jederzeit auf diese zu berufen. Dadurch gestaltet sich der betroffene Bereich einfach transparenter.
Wie funktioniert die Verbindung von Realität und Blockchain durch Tokenisierung?
Wenn beispielsweise Influencer:innen für ein Produkt werben und als eine Art Markenbotschafter:innen auftreten, tragen sie im Idealfall einen erheblichen Teil zum Erfolg des Unternehmens bei. Deswegen möchten sie vielleicht daran teilhaben und auf unkomplizierte Weise investieren. Durch Tokenisierung ist das möglich. Dank optimierter Kaufabwicklung und Fraktionalisierung ist der Prozess weder aufwändig noch ist ein Mindestbetrag nötig. Sie kaufen einfach den Token.
Wie würdest du eure Rolle bei tokenforge sehen?
Wir setzen uns damit auseinander, wie wir reale Assets am besten im Sinne des Nutzens und der Sicherheit tokenisieren können. Dabei kann es sich um alles von Finanzprodukten bis hin zu Musikalben [a]handeln. Unser Ziel ist es, eine Basistechnologie zu entwickeln, welche die Konvergenzen zwischen all den verschiedenen Produkttypen fasst.
Nehmen wir einmal an, du warst schon vier Mal auf demselben Festival und bekommst beim fünften Mal eine Investmentoption, weil der Anbieter weiß, dass du dich schon auskennst. Vielleicht kannst du bei der Auswahl des Zahlungsanbieters helfen, schließlich hast du diesen Prozess in den vergangenen Jahren mehrmals aus der Kundenperspektive erlebt.
Für den generierten Mehrwert könntest du dann einen Teil des Stakes bekommen.
Bei tokenforge könntet ihr also solch eine tokenisierte Lösung für Partner aufstellen?
Genau. Wir können im Rahmen eines Vorgesprächs die wichtigen Details der Utility Token/NFTs oder Security Token/ Cryptowertpapiere, festlegen. Anschließend wählen wir die Module mit dem Kunden aus und legen einmalig die Grundeinstellungen fest. Fortan kann der Kunde seine Smart Contracts selbstständig aus dem Pool an Templates auswählen und aktivieren, Assets verwalten und sogar Verträge damit verknüpfen. Das kann beispielsweise ein Strom, oder Investmentvertrag auf Basis der festgehaltenen Regeln/AGBs sein. Wer investieren will, kann dem zustimmen und investieren, oder eben nicht.
Unsere Kunden können dann, sofern rechtskonform, selbst Token zu einem beliebigen Zweck ausgeben. Uns ist vor allem wichtig, dass die Handhabung benutzerfreundlich bleibt.
Zwischen der Tokenisierung von Vermögenswerten und deren direkter Ausgabe als Token gibt es einen Unterschied. Kannst du den einmal beschreiben?
Eine Aktie zu tokenisieren würde bedeuten, im aktuellen rechtlichen Rahmen eine neue Ausgabeform des Vermögenswertes zu wählen. Jedoch ermöglicht das Gesetz über elektronische Wertpapiere (EwpG), Wertpapiere o. ä. direkt als digitalen Token zu begeben.
Dabei interessiert uns vor allem die Möglichkeit, Wertpapiere unter Einhaltung der geltenden Vorschriften für aktuell primär illiquide Märkte in Echtzeit zur Verfügung zu stellen. Und dies obendrein noch mit Geschäftstätigkeiten zu kombinieren. Dazu würde auch zählen, eine Aktie oder dein gesamtes Portfolio als Sicherheit nutzen und beleihen zu können, beispielsweise für einen Hauskauf.
Es wäre auch möglich, den Handel so weit zu automatisieren, dass du längere Kausalketten als nur den automatischen Kauf oder Verkauf eines Vermögenswertes erstellen kannst. Z. B. fällt eine beliebige Aktie auf einen bestimmten Preis, dann wird nicht nur diese automatisch gekauft, sondern auch drei weitere zuvor festgelegte Vermögenswerte. So etwas könnte sogar mit Hedging gekoppelt werden.
Und wie verhält sich das Ganze im Hinblick auf Immobilien-Tokenisierung? Schließlich gibt es in Deutschland und der gesamten EU noch einige Hürden – glaubst du, diese Idee der Demokratisierung des Immobiliensektors hat potenzial?
Aus meiner Sicht, ja. Insbesondere durch die neuen Perspektiven, die das EwpG eröffnet. Schließlich kannst du Immobilieninvestitionen genau wie andere Investitionen auf verschiedene Arten strukturieren und wir wissen, was dafür benötigt wird. Es gibt kaum etwas, das damit nicht gelöst werden kann. Für mich steht daher immer die Frage nach Mehrwert und Anwendungsfall im Vordergrund. Heute mag die Adoption noch nicht weit genug fortgeschritten sein, morgen aber schon könnten wir uns zu dritt ein Haus kaufen und dies über ein Multi-Signatur-Wallet abwickeln. Sollte ein Nachschuss oder etwas anderes nötig sein, kannst du einen Vorschlag einreichen und die Gruppe stimmt darüber ab. Unnötige Komplikationen, wie die Frage woher man das Geld nehmen soll, was beachtet werden muss etc. wären einmal geklärt und würden wegfallen.
Mit welchen Gesetzen kommst du in deinem Alltag immer wieder in Berührung – MICAR, EwpG oder MIFID 2?
Spannender Weise genau die Drei. Auf verschiedenen Ebenen: Damals, 2017, haben wir unsere Software auch genutzt, um erste ICOs abzuwickeln. Dann haben wir alles nach und nach den regulatorischen Anforderungen entsprechend aufgestellt. Gerade mit MiCAR kommt das ICO-Thema wieder auf. Wir haben die technische Umgebung und wir merken die Berührungsängste mit den Regulierungen, obgleich Leute sich damit mehr auseinandersetzen. Die Perspektiven, was es ermöglicht und wie man es einsetzt, werden immer vielfältiger. Über die letzten Jahre habe ich auch auffällig mehr qualitative Gespräche zu dem Thema geführt. Zu dieser Adoption haben NFTs und AI sehr viel beigetragen, nicht wegen der Usecases, aber zumindest um das Potenzial dieser Technologe einmal aufzuzeigen.
Instant Überweisungen sind da ja nur die Spitze des Eisbergs. Business Logik, wie Geschäfte abgewickelt werden können; und das Ganze regelkonform – das ist interessant. Anlegerschutz, Rechte Dritter usw. müssen weiterhin gewahrt werden, vor allem bei solch einer komplexen Technologie.
Plant ihr eine Art Rundumservice für Tokenisierung oder zieht ihr klare Grenzen?
Wir wollen tokenforge als Software-as-a-Service aufziehen und die Prozesse, wie bei WordPress, vereinfachen und optimieren. Beispielsweise gibt es aktuell zehn Registerführer in Deutschland, von denen zwei zu unseren Kunden gehören. Zusätzlich hat sich noch ein Verband mit verschiedenen Teilnehmern aus der Wirtschaft um sie herum gebildet. Überall, wo das EwpG eingesetzt wird, ist auch Registerführung nötig. Wir machen uns hier die Standardisierung zur Aufgabe. Fragen die wir wir uns stellen sind dabei: Wie kann man Registerführung in der Zukunft schlau nutzen und welche Effekte ergeben sich daraus? Was muss getan werden, um das Bewusstsein für das Heben der Potentiale in die verschiedenen Ökosysteme als “GoTo” zu intergrieren?
Zudem wollen wir in Abstimmung mit Registerführern und Anwälten und ausgewählten Partnern einen deutschen Standard zu schaffen, mithilfe dessen wir das EwpG als Token bzw. Smart Contract automatisiert zur Verfügung stellen können. Wenn wir die Anforderungen des Wertpapiergesetzes erfüllen und gleichzeitig auch den Tokenstandard der Ethereum Foundation (Stichwort EVM kompatibel), dann hätten wir einen massiven Hebel für die Krypto-Adoption.
Auf einmal könnte man das Thema ganz anders aufziehen und je eher diese Rahmenbedingungen geschaffen werden, desto schneller wird Tokenisierung in realen Anwendungsfällen verwendet.
Wenn ich mir also in einigen Jahren mit Freunden ein Kunstwerk zusammen kaufen wollte, wäre es dann denkbar einfach auf tokenforge zu gehen, sich dort anzumelden und schon hätten wir alle unseren Anteil an dem Bild?
Genau. Unsere Investmentsuite bietet alle möglichen Module dafür heute schon. So können wir einen Token entsprechend dem EwpG oder auch nach den Anforderungen eines ICOs (Initial Coin Offering) ausgeben – je nachdem welches Gesetz greift. Selbst das entsprechende Dashboard wird den Bedürfnissen angepasst. Im Prinzip verfügen wir über ein komplettes Investment-Ökosystem, das wir nach und nach erweitern. Da wir aus dem E-Commerce kommen, kennen wir uns mit Anlegerschutz, Käuferschutz, Marktplatzmodellen und dergleichen aus. Kürzlich konnten wir unsere Logik auch App-basiert und für spannende, namenhafte Kunden zur operativ live schalten. Diese Wissensbasis nutzen wir und erweitern sie mit der Tokenisierung und der Finanzmarktperspektive.
Das ist dermaßen umfangreich, könntest du dann nicht theoretisch eine ganze Buchhaltung darüber erstellen?
Korrekt, das stellen wir sogar zur Verfügung. Die größte Herausforderung bleibt allerdings nach wie vor, der Allgemeinheit dieses unglaublich riesige Potenzial zu kommunizieren. Das ist eine echte Aufgabe.
BeInCrypto bedankt sich bei Moritz Stumpf für dieses aufschlussreiche Interview.
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