Bitcoin als digitales Gold? Krypto-Communitys statt Staaten? Ethereum zensiert? Über diese und viele weitere Dinge haben wir mit Philipp Sandner im Interview gesprochen.
Philipp Sandner ist vielen im Krypto-Space bereits ein Begriff: Unter anderem hat er das Frankfurt School Blockchain Center gegründet, war Mitglied des FinTechRats und des Digital Finance Forum des Bundesfinanzministeriums und dient als Verwaltungsrat in zahlreichen Unternehmen, wie z.B. die Blockchain Founders Group. Er war zudem Mitgründer des Blockchain Bundesverbands, der Digital Euro Association und betreibt mit Kollegen den Podcast “Irgendwas mit Krypto”.
Im Rahmen der Frankfurt School betreibt er die Web3 Talents Programme, wobei sich JEDE:R für einen kostenlosen Kurs bewerben kann. Mit über 5.000 Bewerbungen, dürfen sich bereits über 800 Personen als Absolvent:in bezeichnen.
BeInCrypto: Wieso findest du Bitcoin so spannend?
Für mich ist der Bitcoin digitales Gold. Da die Ausgabe auf 21 Millionen beschränkt ist und lediglich bis 2140 die restlichen 2 Millionen BTC geminet werden, ist es vergleichbar mit Gold. Zwar ist die Volatilät jetzt noch groß, aber in Zukunft wird es als digitales Gold angesehen.
Zudem kann niemand meine Bitcoin konfiszieren, wenn ich es selbst verwahre. In einer Welt, wo Dinge zunehmend konfisziert werden (können), finde ich diesen Aspekt sehr spannend.
Konfiszierungen gab es ja bereits in den USA der 1930er Jahre. Wenn wir in die EU blicken, erleidet der bare Zahlungsverkehr ja auch immer mehr Einschränkungen. Wie siehst du diese Entwicklung?
Dass Bargeld in der EU weiter zurückgedrängt wird, würde ich als falsches Narrativ bezeichnen. Unsere Welt wird eben immer digitaler und dadurch bezahlen auch weniger Leute in bar. Ich habe seit drei bis vier Wochen nicht mehr in bar bezahlt, sondern immer nur mit Kreditkarte oder mit dem Handy.
Es funktioniert so toll, ich hole meinen Geldbeutel teilweise eine ganze Woche nicht mehr raus.
Diese bessere Technologie drängt das Bargeld immer weiter zurück, klar, dass da die Europäische Zentralbank auch einen digitalen Euro anbieten will. Sie ist leider sehr langsam im Vergleich zu heute schon existierenden Technologien von Visa, Mastercard und Paypal.
Stichwort Visa: Ist es nicht schade, dass so wenige deutsche Unternehmen auf diesem Markt tätig sind?
Ich finde das eine ganz spannende Diskussion, ob wir mehr deutsche Unternehmen als Zahlungsanbieter brauchen.
Teilweise wissen jüngere Personen jetzt schon nicht mehr, ob sie deutsch sind oder nicht-deutsch. Diese fühlen sich dann auch eher einer Community hingezogen und betrachten sich eventuell eher als “Bitcoiner”.
Die ganze Krypto- und Bitcoin-Community könnten wir als so etwas sehen.
Was ich damit sagen will: Am Ende des Tages gibt es ein Unternehmen, ganz egal wo dieses sitzt und ich als Konsument benutze deren Produkt. Da ist es nicht so wichtig, ob die Firma eine europäische, amerikanische oder chinesische ist, solange die Gesetze hierzulande eingehalten werden. Viele Leute benutzen ja berechtigterweise Amazon, weil Amazon einfach einen sehr guten Service hat. Am Markt gewinnt eben das beste Produkt und wenn ein deutscher Online-Händler das nicht gut macht, macht es eben jemand anderer besser.
Weg von Bitcoin und digitalem bezahlen – Welche Kryptowährungen findest du noch spannend?
Nach Bitcoin mit dem größten Marktanteil gibt es noch Ethereum, einige Stablecoins und Decentralized Finance (DeFi) Protokolle. Daneben auch einige Ethereum-Wettbewerber. Mit den erstgenannten Projekten sollte man sich zuerst beschäftigen.
Andere Layer 1 Blockchains? Solana?
Das ist so wie mit Automobilherstellern: Brauchen wir so viele? Ich finde, dass der Wettbewerb sehr heilsam ist, deswegen gibt es auch BMW, Daimler, Porsche etc. Ethereum ist für mich die klare Nummer 1, andere Kryptowährungen sind in ihrer Nische gut, kommen manchmal raus, manchmal nicht.
Was begründet für dich ganz generell den Wert von Ethereum bzw. den zuvor erwähnten Stablecoins?
Ich glaube, bei Ethereum ist es relativ klar: Eine Finanzstruktur die weltumspannend ist und auf welche ich beliebige Assets obendrauf packen kann. Da Leute auf der ganzen Welt Ethereum benutzen, verknappt sich das Angebot, da Ether zurückgehalten wird.
Die Analogie zum Oktoberfestkarussell finde ich sehr treffend:
Wenn ich Geld reinschmeiße, dreht es sich. Analog: Ich schmeiße Ether ins System rein, dann bearbeitet das Netzwerk meine Transaktionen.
Bei den Stablecoins ist für mich am spannendsten der US-Dollar auf der Blockchain. Besonders relevant ist dies z.B. gerade im Libanon, wo die Finanzinfrastruktur nicht funktioniert. Das einzige was die Leute für Transaktionen benötigen ist ein Handy, Strom und Internet.
Im Vergleich zu Bitcoin ist der Stablecoin auf die kurze Frist stabiler.
Im Vergleich zu Bitcoin ist Ethereum jetzt ja auch nicht mehr Zensur-resistent. Wie wir wissen, unterliegen mehr als 50 % der Validatoren der Aufsicht der OFAC?
Ethereum hat so viele schlaue Techniker, deswegen kann mir gar nicht vorstellen, dass diese das nicht antizipiert haben. Ich glaube, man hat das in Kauf genommen, als Abfallprodukt von Proof of Stake sozusagen. Das ist nicht so gut gelöst, wie bei Bitcoin, wo die Nodes Forkes durchführen können.
Bei Ethereum ist es mittlerweile so, dass über die Validatoren und Stablecoin-Emittenten Druck ausgeübt werden könnte. Ist das schlimm? Ich finde nicht.
Die USA können als stärkstes Land auf der Welt ohnehin Regularien erlassen – wir alle wissen das.
Solange es auch noch “non-compliant validators” gibt, ist es für mich nicht so kritisch. Kritisch ist es erst dann, wenn ein Fork erzwungen wird über den Hebel der Stablecoin-Emittenten.
Abschlußfrage: Wo werden wir die Blockchain in 10 Jahren sehen?
Bitcoin ist jetzt über 10 Jahre alt, Ethereum unter 10 Jahre, das DeFi-Ökosystem ist in Summe zwei bis drei Jahre alt und NFTs ca. ein bis zwei Jahre. Das Metaverse ist ja noch gar nicht so richtig existent.
Jetzt kommen neue Ökosysteme auf im Bereich digitale Identität oder auch CO₂-Ausstoß. Was wider Erwarten nicht entstanden ist, sind z.B. Supply Chain Anwendungen oder Health Care.
Nach wie vor traue ich Bitcoin als auch Ethereum eine große Rolle zu, da einfach die Masse an Programmierern und der Standardisierungsgrad enorm hoch ist – sofern es keine technischen Probleme gibt. Andere Smart Contract Plattformen werden sich auswachsen, ob das jetzt Cardano oder die Binance Smart Chain ist, wird sich zeigen.
Der DeFi-Bereich professionalisiert sich in den kommenden Jahren auf jeden Fall und die ganze Thematik rund um NFTs kommt auch wieder, diesmal aber im Zusammenhang mit dem Metaverse. Das Metaverse der Zukunft bedient vor allem die folgenden zwei Bereiche: Zum einen für Gaming bzw. Entertainment, zum anderen für Kommunikation. Tausende Entwickler und tausende Grafikdesigner werden in Zukunft an dem nächsten Netflix oder dem virtuellen Raum für Community-Calls arbeiten.
In Anbetracht dieser Tatsachen liegt wahrlich eine spannende Zukunft vor uns!
Wir bedanken uns bei Philipp Sandner für das Interview.
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