China wäre nicht China, wenn es nicht einen Weg gäbe, strenge Vorschriften zu umgehen.
Der Besitz von Krypto ist in China immer noch legal und gesetzlich geschützt.
Die meisten im Westen unterschätzen die Flexibilität des chinesischen Systems gewaltig.
Chinesische Unternehmer sind Meister der Grauzone.
Moment – hat China nicht längst alles verboten, was mit Krypto zu tun hat? Nun, ja und nein. Verboten sind alle Dienstleistungen im Zusammenhang mit Kryptowährungen, wie z. B. Handelsplattformen, Werbung für oder Verkauf und sogar das Mining von Kryptowährungen.
Nachdem China lange der größte und lebendigste Kryptomarkt der Welt war, ist heute eine komplette Industrie scheinbar verschwunden. Scheinbar ist hier jedoch das Schlüsselwort. Denn China wäre nicht China, wenn es nicht einen Weg gäbe, strenge Vorschriften zu umgehen.
Trotz eines halben Dutzend Verbote für kryptobezogene Aktivitäten gab es allerdings eine Sache, die nie verboten war: das Zeug tatsächlich zu besitzen.
Und wenn man etwas legal besitzen darf, dann hat man folglich auch das Recht, es an jemand anderen zu verkaufen. Schließlich handelt es sich um rechtmäßiges Eigentum und jeder kann selbst entscheiden, was er damit tun will. Nur wenn man versucht einen professionellen Handel mit Kryptowährungen aufzubauen, bekommt man gesetzliche Probleme.
Das Festhalten an Eigentumsrechten mag manch einen überraschen. Schließlich betrachtet die chinesische Regierung private Kryptowährungen weitgehend als Mittel zur Geldwäsche, Steuerhinterziehung und illegalem Fundraising. Für diejenigen, die China gut kennen, ist dies jedoch überhaupt nicht überraschend. Die Zweideutigkeit hat System.
China und Kryptowährungen: Eine Geschichte von Missverständnissen
China ist das einzige Land der Welt, das es vollbracht hat, offiziell kommunistisch zu bleiben und gleichzeitig eine hyperkapitalistische Wirtschaft zu betreiben. Genauso hat es das Land geschafft, die größte Volkswirtschaft mit der strengsten Krypto-Regulierung zu sein und gleichzeitig eine der aktivsten Krypto-Märkte zu haben.
Das mag widersprüchlich erscheinen, aber Widersprüche sind genau das, wovon die chinesische Wirtschaft lebt. Sie machen ein von Natur aus starres, bürokratisches System unglaublich flexibel.
Die Gründe, warum Kryptowährungen in China so beliebt sind, liegen auf der Hand: Eine repressive Regierung, strenge Kapitalkontrollen und massive staatliche Überwachung. All das treibt die Nachfrage an unveränderlichen, auf Privatsphäre ausgerichteten und frei transferierbaren Vermögenswerten voran.
Ein chinesischer Freund und früher Bitcoin-Miner sagte mir vor langer Zeit:
“Chinesen kaufen Krypto, weil es keine andere Möglichkeit gibt, unser Vermögen zu schützen. Außerdem weiß jeder, dass der Aktienmarkt in China manipuliert und ineffizient ist, und die Immobilienpreise sind bereits immens hoch. Wie können wir sonst investieren und hoffen, Wohlstand für uns zu schaffen?”
Die Schaffung von Wohlstand für seine Bürger ist jedoch sicherlich nicht der Hauptgrund, warum China Kryptowährungen seit langem (halb) toleriert. Das Hauptziel der Regierung war es immer, die Kontrolle zu behalten und gleichzeitig offen für neue, vielversprechende Technologien zu bleiben. Wie Kai von Carnap, Analyst bei Europas größtem China-Think-Tank, erklärt: “Die Regierung ist froh, all das ‘kostenlose’ Fachwissen in Krypto- und Blockchain-bezogenen Bereichen zu erhalten, während sie gleichzeitig ihre riesige Zahl an Ingenieuren beschäftigt hält.” In der Tat könnte jemand, der heute auf Ethereum programmiert, genauso gut zu Regierungsinitiativen wie Chinas BSN (Blockchain Service Network) wechseln oder Smart Contracts für den e-CNY schreiben.
Systematische Ambivalenz: 50 Shades of Grauzone
Das bedeutet, dass Kryptowährungen in China nie wirklich eine Chance hatten, legalisiert zu werden. Aber es bedeutet auch, dass es für die Regierung keinen Grund gibt, sie vollständig zu verbieten. Vielmehr haben sich die Behörden für einen Ansatz des wiederholten harten Durchgreifens entschieden, um die Masse der Bevölkerung von solchen unerwünschten Aktivitäten fernzuhalten. Gleichzeitig erlauben sie einigen Leuten mitzuspielen, solange sie nicht in betrügerische Aktivitäten oder Geldwäsche verwickelt sind.
Diese Herangehensweise an neue Technologien und an die Wirtschaft im Allgemeinen hat System und ist überraschend unideologisch. Das ist es, was die meisten Menschen, die China von außen betrachten, nicht verstehen.
Da wir aus rechtsstaatlichen Gesellschaften kommen, in denen klar definiert ist, was erlaubt ist und was nicht, unterschätzen die meisten im Westen die Flexibilität des chinesischen Systems gewaltig. Sie sehen ein paar Bürokraten in Peking, die strenge Regulierungen erlassen und nehmen es für bare Münze. Die tatsächliche Umsetzung ist jedoch oft eine ganz andere Sache.
Das Gesetz ist in China nicht dazu da, immer buchstabengetreu befolgt zu werden, sondern es wird als ein Instrument in Händen der Regierung betrachtet. Eingesetzt wird es oft nur, wenn etwas aus dem Ruder läuft. In der Praxis drücken die lokalen Behörden oft ein Auge zu. Von außen betrachtet sieht das ziemlich willkürlich aus, aber es gibt Unternehmern, die sich im System auskennen, beträchtlichen Spielraum. Und eins ist sicher: chinesische Unternehmer sind Meister der Grauzone.
Sie sind es schon lange gewohnt an der Grenze zur Legalität zu operieren, schließlich waren bis zum Beginn der Reformperiode alle privaten Geschäfte in China illegal.
Über den Autor
Maximilian Mai lebt seit 2016 in China (Chengdu, Sichuan) und ist seit 2018 hauptberuflich als Berater im Bereich Blockchain & Kryptowährungen tätig. Aktuell ist er Mitgründer und Chief Business Development Officer bei BerlinDAO (www.berlindao.com). BerlinDAO ist eine Web3 Marketing-Agency mit Fokus auf neueste Marketing-Trends und Methoden um optimale Resultate für Kunden zu erzielen.
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