IN KÜRZE

  • Betrug ist allgegenwärtig. Um sich zu schützen, hilft die passenden Informationen zu haben.
  • Es gibt fünf Techniken, mit denen hauptsächlich betrogen wird.
  • Diese lauten: Reziprozität, Knappheit, Quellengläubigkeit, Phantomreichtum und sozialer Konsens.
  • promo

Ein Kommentar von Walter Leonhardt. Walter hat Politik und Wirtschaft studiert und beschäftigt sich seit weit mehr als einem Jahrzehnt intensiv mit den Themen Betrug und Schwindel in Politik und Wirtschaft. Er ist OpenSource-Analyst und lebt in Ostasien. Hier geht es zum Interview mit Walter. Und seine neuste Publikation „Understanding Fraud: financial exploitation, emotional abuse“ findest du hier.

Die beiden wichtigsten Kunstgriffe von Betrügern stammen aus dem Theater. Diese lauten Stille Post und Mauerschau, um Opfern die fortlaufenden Entwicklungen zu kommunizieren. Man könnte auch „Handlungsstränge“ dazu sagen. Stille Post bedeutet Gerüchteküche: Ich erzähle dir, was ich gehört habe. Mauerschau bedeutet Fernglas: Ich erzähle dir, was ich gesehen habe, bzw. was du siehst.

Das Opfer sieht nur, was der Täter ihm beschreibt, ihm vorkaut. Auf dieser Basis stellt es sich vor und glaubt, die Täterbeschreibung ist Realität. Das Opfer hört nur, was der Täter ihm erzählt. Auf dieser Basis glaubt man ungeprüft, bzw. auf Grundlage dessen, was der Täter einem als „Beweise“ vorgelegt und interpretiert hat. Daraus entwickelt sich das Drama, worauf das Opfer auf Täterempfehlung durch Geldeinzahlung reagiert und sich das Theaterspiel fortführt.

Von da an entsteht alles Weitere durch Improvisation.

Wie aber ist möglich, dass Stille Post und Mauerschau bei Erwachsenen solch eine Wirkung haben?

Die 5 Betrugstechniken

Es gibt fünf Techniken, mit denen hauptsächlich betrogen wird. Diese lauten: Reziprozität, Knappheit, Quellengläubigkeit, Phantomreichtum und sozialer Konsens.

1: Reziprozität

Reziprozität (Reciprocity) bedeutet, dass mir jemand einen Gefallen tut, weshalb ich mich dazu verpflichtet fühle, ihm im Gegenzug eine Gefälligkeit zu erweisen. Beispielsweise indem mich jemand zum Essen einlädt, einen Freundschaftspreis macht, Kickbackzahlungen anbietet oder sonst etwas Gutes tut, das billiger als meine Gegenleistung ist.

Man nennt dieses Vorgehen auch „trojanisches Pferd“ oder „einen Backstein gegen einen Jadestein eintauschen“, und daran erkennt man auch, dass Reziprozität älter als die goldene Regel ist, die christlich gedacht der Sache zugrunde liegt: behandle einen anderen so, wie du es von ihm erwartest. Reziprozität baut auf moralisches Empfinden und wird von Betrügern zu ihren Gunsten ausgenutzt.

2: Knappheit

Knappheit (Scarcity) bedeutet, dass eine Sache dadurch als wertvoll wahrgenommen wird, weil sie limitiert vorhanden ist. Dazu zählen zeitlich befristete Sonderangebote, Bonusse die nur hier, jetzt, sofort gültig sind. Knappheit ist immer mit Zeitdruck verbunden, mit dem Gefühl, dass man einen Verlust macht, wenn man jetzt die Gelegenheit verpasst.

3: Quellengläubigkeit

Quellengläubigkeit (source credibility) bedeutet, dass Menschen Statussymbol- und obrigkeitshörig sind. Sie lassen sich von Blingbling beeindrucken. Dazu gehören teure Autos, exklusive Adressen, bestimmte Titel wie CEO, Doktor, Manager etc. sowie allem, was man damit verbindet.

Quellengläubigkeit verfolgt das Ziel, die eigene Glaubwürdigkeit erhöhen. Man lenkt von der Sache ab, weil Kunden in Anbetracht von Symbolen und Titeln weniger fragen. Denn sie wollen ihre Chance auf ein Geschäft mit der großen Person nicht gefährden, die über ihnen steht. Gleichzeitig wäre es unhöflich – eine Querstrebe zu Reziprozität.

4: Phantomreichtum

Phantomreichtum (Phantom rich) baut ebenfalls auf Quellengläubigkeit auf: Man präsentiert dem Kunden Dinge, die quasi bereits dessen Eigentum sind: heiße Autos, tolle Frauen. Phantomreichtum zielt darauf ab, dass Kunden sich auf den Erfolg und nicht den Weg dorthin konzentrieren. Man soll gedanklich bereits das Geld verplanen und das Investment als letzten lästigen Schritt dorthin abhaken.

Auch Phantomreichtum bezweckt, dass das Opfer nicht so viel fragen soll.

5: Sozialer Konsens

Sozialer Konsens (social consensus) baut darauf auf, dass Menschen sich ungern als Erste ansehen, was finanzielle Innovationen betrifft: Jeder will als Erstes bei Bitcoin dabei sein, aber keiner möchte als Erstes investieren, weil die Vorreiterrolle mit Risiko verbunden ist. Und sei es nur, dass man sich exponiert.

Sozialer Konsens besagt, dass man selber nicht der Erste ist. Andere, die man kennt, haben es bereits vorgemacht, und deshalb bist jetzt du an der Reihe, ebenso erfolgreich zu sein. Denn wenn der andere das macht, wird es mit höherer Wahrscheinlichkeit richtig sein, keiner möchte anderen hinten anstehen und keiner möchte alleine auf die Nase gefallen sein.

Compliance without pressure“: 10 Taktiken

Abgesehen davon, gibt es noch 10 Taktiken, die unter dem Begriff „compliance without pressure“ zusammengefasst werden und Techniken wie „foot-in-the-door“, „door-in-the-face“ oder „low ball“ umfassen.

  • Foot in the door bedeutet, ich verlange anfangs eine Kleinigkeit und kriege diese. Dadurch baue ich eine erste Beziehung auf, auf deren Grundlage ich später zunehmend mehr verlangen und kriegen kann.
  • Door in the face ist das Gegenteil: Ich verlange anfangs viel, was mir automatisch verwehrt wird. Dadurch entstehen beim Verweigerer aber Schuldgefühle, sodass er einem daraufhin folgenden kleineren Wunsch zustimmt.
  • Lowball bedeutet, ich verlange einen geringen Preis und du schlägst ein oder du forderst einen geringen Preis und ich schlage ein, behalte mir aber in beiden Fällen das Recht auf Preisänderung vor, falls etwas Unvorhergesehenes passiert. Beispielsweise mein Boss dem Preis widerspricht.

Lowball besagt, dass wenn ich Kunden einige Zeit gedanklich in ihrem Schnäppchen schmoren lasse und warum auch immer danach ablehne und einen höheren Preis haben will, der Kunde mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit den neuen Preis akzeptieren wird, weil die Sachen in seinem Kopf bereits zu seinem Eigentum geworden sind, die er nicht mehr verlieren will.

Lowball ist effektiver als foot-in-the-door, weil man in letzterem Fall noch immer zwei voneinander unabhängige Entscheidungen benötigt (selbst wenn die zweite einem leichter fällt), während bei Lowball die Entscheidung bereits getroffen wurde und nur noch ein weiteres Mal bestätigt wird. Das einzige, was es hierzu braucht, ist eine Begründung, die der Kunde schluckt. Diese verhindert nämlich, dass so wie bei foot-in-the-door möglicherweise Reaktanz entsteht, d.h. der Kunde sich ausgetrickst und benutzt fühlt. Denn der Verkäufer gibt für den höheren Preis eine Erklärung ab, die sowohl außerhalb seiner Macht als auch des Kunden liegt: Der Boss dagegen ist schuld und wird bei Nichtkauf möglicherweise seine Wut am armen Verkäufer auslassen – der Leser weiß jetzt vermutlich, wo das hinführt.

Das sind die Grundlagen von Betrug, und wer diese verinnerlicht hat, ist ziemlich gut gerüstet, zukünftig weniger betrogen zu werden.

Wer mehr über das Thema erfahren möchte, dem empfehle ich die beiden Artikel „Understanding Fraud: financial rape“ und „Understanding Fraud: emotional abuse“ zu lesen.

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Walter Leonhardt
Walter hat Politik und Wirtschaft studiert und beschäftigt sich seit weit mehr als einem Jahrzehnt intensiv mit den Themen Betrug und Schwindel in Politik und Wirtschaft. Er ist OpenSource-Analyst und lebt in Ostasien.
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