Der Merge ist eines der heißesten Themen der letzten Wochen. Vor lauter Lobeshymnen, vergessen wir schon fast, dass Ethereum einer konkreten Gefahr ausgesetzt ist.
Welchen Einfluss haben Validatoren auf die Zensur der größten Smart-Contract Blockchain der Welt?
Du bist gerade dabei, 100 US-Dollar in Ethereum an eine ukrainische Spendenseite zu senden. Die Transaktion scheitert. Du versuchst es noch einmal: Wieder geht deine Transaktion nicht durch. Nachdem du kurz die BeInCrypto News durchforstest, merkst du, dass die Ethereum-Blockchain zensiert wurde.
Wie kann das sein?
Ethereum Merge ruft ein Problem hervor
Die Ankündigung des Ethereum Erfinders Vitalik Buterin, die Blockchain stelle rund um den 15. September auf Proof of Stake um, hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Der Preis zog an und die Euphorie auf Twitter war kaum zu übersehen. Neben zahlreichen Gerüchten rund um schnellere Transaktionsgeschwindigkeiten, wollen wir dir heute ein Problem näherbringen, welches aktuell tatsächlich bereits besteht.
Es ist die Abhängigkeit von OFAC-kontrollierten Institutionen und die damit einhergehende Zensur.
OFAC: Das Office of Foreign Assets Control ist eine Kontrollbehörde der USA, welche im Finanzministerium ansässig ist. Sie überwacht Handels- und Wirtschaftssanktionen und kann z.B. auch das Vermögen illegaler Akteure einfrieren. So geschehen mit russischen Oligarchen.
Wie weit eine solche Kontrollbefugnis gehen kann, sahen wir auch kürzlich im Kryptospace als die Plattform Tornado Cash in den USA verboten und der holländische Entwickler wegen Beitragstäterschaft zur Geldwäsche festgenommen wurde.
Nachdem sich der Staub gelegt hatte, meldeten sich kritische Stimmen aus der Ethereum-Community. Zwar befürworte man den Merge immer noch, aber die Frage nach einer möglichen Zensur durch die OFAC wird immer wichtiger. Könnte Ethereum eventuell nach dem Merge sogar zensiert werden?
Wenn die OFAC Tornado Cash sanktionieren kann, wäre dies ja theoretisch auch bei Ethereum mit dem Proof of Stake möglich?
Einige User wiesen auf dieses Problem hin, da sie mit dem Umstieg auf Proof of Stake die Abhängigkeit von einigen großen Validatoren fürchten. Diese sitzen allesamt in den USA und könnten somit von der OFAC sanktioniert werden.
Aber, was haben Validatoren mit unserer Privatsphäre zu tun?
Erfinder stellen auf Proof of Stake um
Mit dem Proof of Work Konsensmechanismus sichern aktuell noch Miner und Nodes die Blockchain ab. Sobald der Merge erfolgreich abgeschlossen ist, übernehmen Validatoren diese Aufgabe, da diese die Miner und Nodes im Proof of Stake ersetzen. Um eine Blockchain zu zensieren, benötigt es die Zustimmung einer Mehrheit derjenigen, die im System für die Sicherheit zuständig sind – also den Validatoren.
Um zu dem oben erwähnten Beispiel zurückzukommen:
Angenommen, die OFAC entscheidet sich, aus welchen Gründen auch immer, dafür, eine mit der Ukraine in Verbindung stehende Ethereum-Adresse zu zensieren. Die in den USA ansässigen Validatoren müssten als rechtlich anerkannte Entitäten den Sanktionen der OFAC nachkommen und diese Spendenadresse auf der ETH-Chain blockieren. Deine Transaktion würde nicht durchgehen.
Bei den angesprochenen Entitäten handelt es sich um bekannte Krypto-Giganten: Lido Finance, Coinbase, Kraken und Binance. Zusammen halten diese aktuell rund 62 Prozent aller gestakeden Ethereum. Allein Lido hält ein Drittel aller gestakeden ETH. Dies ist auf der nachfolgenden Grafik verdeutlicht:
Dabei wird von der Community immer wieder der Vergleich zu einem 51 % Angriff bei Bitcoin ins Spiel gebracht. Demnach könne ein Angreifer, der 51 Prozent der Mining Hashrate kontrolliert, die Blockchain umschreiben.
Um die Analogie zu Ethereum herzustellen: Wie beim Bitcoin Proof of Work wird angenommen, dass ein Angreifer mit 51 % aller gestakeden ETH die Blockchain umschreiben könnte. Genauso könnte eine Koalition aus 51 % aller gestakeden Token anfangen, die Blöcke zu zensieren, indem sie entsprechende Transaktionen einfach nicht mitaufnimmt.
Warum Validatoren wie Binance das machen sollten?
Weil sie unter der Kontrolle der OFAC stehen.
Buterin äußert sich vor dem Merge
Die Furcht der Community zog weite Kreise und erreichte schließlich auch Ethereum Erfinder Vitalik Buterin. In einem Twitter-Post ging dieser zu den Zensurängsten ein:
“Würde eine Mehrheit der Validatoren anfangen, Blöcke zu zensieren, könnten dies andere Validatoren herausfinden und bekämpfen. Mit der ’99 prozentigen fehlertoleranten Übereinstimmung’ könnten die anderen Validatoren so einen Soft Fork hervorrufen.”
Ein solcher Soft-Fork würde dazu führen, dass die Token der Angreifer sofort an Wert verlieren, da sie nicht mehr mit der neuesten Version von Ethereum übereinstimmen würden. Ein zweiter Angriff ist nach so einem Vorgang ausgeschlossen, da dem Angreifer durch den Soft Fork keine Token mehr zur Verfügung stehen.
Tim Beiko, einer der ETH-Hauptentwickler, führte weiter aus:
“(…) Wir könnten sehr erfolgreich gegen eine solche Zensur vorgehen, indem die Ethereum-Hauptentwickler sich verpflichten, eine Fork zu unterstützen, die Zensur bestraft. Es ist unnötig, die genauen Details einer solchen Verpflichtung zu diskutieren, die Entwickler sollten sich allerdings ganz klar dafür aussprechen. (…) Ich glaube, dass allein diese Ankündigung einen von der Regierung beeinflussten Validator zur Beendigung seiner Aktivitäten veranlassen würde, anstatt dem Ansuchen nachzukommen.”
Obwohl dies eine Lösung darstellen könnte, stellt sich wiederum die Frage, inwieweit Ethereum nicht doch zentralisiert ist. Wenn die Hauptentwickler so stark in die Entscheidungsfindung eingreifen können, spricht einiges dafür, dass diese auch den weiteren Verlauf der Chain steuern können. Ob und wie dieses Problem gelöst wird, steht in den Sternen geschrieben.
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