Sam Altman, der CEO von OpenAI, erlangte wegen seiner ambitionierten Unternehmungen einen hohen Grad an Popularität. Da er eine Schlüsselfigur in der Tech-Welt darstellt, ist sein Krypto-Projekt WorldCoin (WLD) aktuell eines der am meisten diskutierten und untersuchten Unternehmungen der Welt.
WorldCoin weckte bereits großes Interesse bei zahlreichen Investierenden aus allen Teilen der Welt. Allerdings heizen kürzlich erschienene Enthüllungen sowie potenzielle Risiken die Skepsis der Kritiker:innen an.
Market-Maker kontrollieren 95 % des Token-Angebots von WorldCoin
WorldCoin wurde als digitale Identifikationsplattform entwickelt, um echte Menschen von KI-generierten Bots oder -Algorithmen zu unterscheiden. Ihr wichtigstes Werkzeug, der Orb, ist ein Gerät zum Scannen der Iris. Das Scanning soll die Einzigartigkeit einer jeden Person im Internet nachweisen.
Ein solch innovativer Vorstoß bringt jedoch auch neue Probleme mit sich. Einige damit verbundene Praktiken könnten sogar auf ethische und praktische Grenzen und Grauzonen stoßen.
Eine der ersten Bedenken, die nach dem Start aufkamen, entstand wegen der Tokenomics (Tokenökonomie). Bei der Lancierung belief sich das im Umlauf befindliche Angebot der WorldCoin Token (WLD) auf 143 Millionen. Dazu gehören ein Airdrop von 43 Millionen WLD und 100 Millionen WLD, die für drei Monate an Market-Maker außerhalb der USA verliehen wurden.
Bei Market-Maker handelt es sich um Trader, die Liquidität für den Handel eines Assets zur Verfügung stellen und davon profitieren.
In dem Whitepaper des Projekts heißt es dazu:
“Der WLD-Token startet mit einem relativ geringen zirkulierenden Angebot von maximal 143 Millionen WLD (d. h. 1,43 % des anfänglichen Gesamtangebots). Der Grund dafür ist das Ziel, ein Netzwerk aus so vielen Menschen wie möglich zu schaffen – und um dies zu erreichen, wird der Großteil des WLD-Token-Angebots in den kommenden Jahren an neue und bestehende Nutzer ausgegeben.”
Ein genauerer Blick auf die Daten zeigt, dass die Market-Maker 95 % des gesamten anfänglich zirkulierenden Angebots kontrollieren. Dadurch entstand von Anfang an ein Marktungleichgewicht.
Da es bei der Lancierung mehrere Anreize für den Kurs gab, über den Preis der vollständig verwässerten Marktbewertung (FDV) zu eröffnen, dauerte es nicht lange, bis der Kurs des WLD Token massiv anstieg. Laut Matt Batsinelas, General Partner bei Triblock, erinnert diese Entwicklung an frühere hochkarätige Token wie Filecoin (FIL) und dem Internet Computer Protocol (ICP).
Die Fully Diluted Market Cap, auch Fully Diluted Valuation (FDV) genannt, ist der Wert der Marktkapitalisierung eines Tokens, nachdem alle seine Token vollständig gemint oder freigegeben worden sind.
Sind die Iris-Scans von WorldCoin eine Gefahr für die Privatsphäre?
Abgesehen von den technischen Details ist es vor allem die Art und Weise, wie WorldCoin seine Nutzer:innen einbindet, die die Alarmglocken schrillen ließ. Das Team betont häufig seine große Nutzerbasis, was an sich zwar nicht problematisch ist. Dennoch nehmen mit einer zunehmend größeren Nutzerbasis auch die potenziellen Risiken umso weiter zu.
Die Enthüllungen über die potenziell ausbeuterischen Praktiken in Entwicklungsländern, über die die MIT Technology Review berichtete, zeichneten jedoch ein beunruhigendes Bild. Insbesondere entstand ein Schwarzmarkt für WorldCoin-Konten. Wie der Krypto-Journalist ZachXBT berichtet, fielen die Preise auf Plattformen wie Telegram auf bis zu einem US-Dollar pro Konto.
Der Hauptkritikpunkt ist jedoch die Verwendung der Iris-Scans. Das WorldCoin-Team garantiert, dass die Iris-Aufnahmen nach dem Scan gelöscht und nur einzigartige Daten des Irismusters gespeichert werden. Kritiker:innen hingegen warnen eben deshalb vor enormen Risiken.
Das Unternehmen weist diese Vorwürfe in einem 25-seitigen Antwortschreiben an die MIT Technology Review zurück:
“Wir möchten klarstellen, dass WorldCoin kein Datenunternehmen ist und dass unser Geschäftsmodell nicht die Ausbeutung oder den Verkauf persönlicher Nutzerdaten beinhaltet. WorldCoin ist nur an der Einzigartigkeit eines Nutzers interessiert, d.h. daran, dass er sich noch nicht für WorldCoin angemeldet hat, nicht an seiner Identität.”
Dennoch steht der Datenschutz ganz oben auf der Liste der Bedenken der Nutzer:innen. Wie will die schließlich Plattform sicherstellen, dass die riesige Datenbank mit Iris-Scans nicht gehackt oder missbraucht wird?
Namhafte Persönlichkeiten wie der Ethereum-Gründer Vitalik Buterin haben solche Bedenken geäußert. Er stellte infrage, wie viele Informationen durch diese Iris-Scans tatsächlich preisgeben werden könnten. In einem Blogbeitrag schreibt Buterin:
“Der Orb ist ein Hardware-Gerät, und wir haben keine Möglichkeit zu überprüfen, ob es korrekt designt wurde und keine Hintertüren hat. Selbst wenn die Software-Layer perfekt und vollständig dezentralisiert ist, hat die WorldCoin Foundation immer noch die Möglichkeit, eine Hintertür in das System einzubauen, die es ihr ermöglicht, beliebig viele gefälschte menschliche Identitäten zu erstellen.”
Sogar der britische Datenschutzbeauftragte ist besorgt über WorldCoin’s Eyeball-Scanning-Aktivitäten in London. Das Information Commissioner’s Office (ICO) kündigte eine Untersuchung von WorldCoin an, um sicherzustellen, dass das Unternehmen eine eindeutige Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten hat. Ein Pressesprecher des ICO erklärte dazu:
“Organisationen müssen eine Datenschutz-Folgenabschätzung (Data Protection Impact Assessment, DPIA) durchführen, bevor sie mit einer Verarbeitung beginnen, die wahrscheinlich ein hohes Risiko birgt, wie etwa die Verarbeitung biometrischer Daten der Sonderkategorie. Wenn sie hohe Risiken feststellen, die sie nicht eindämmen können, müssen sie das ICO konsultieren.”
Menschlichkeit im Zeitalter der künstlichen Intelligenz – aber zu welchem Preis?
Wenn man sich die Initiativen von WorldCoin näher ansieht, sollte man sich über die größeren Auswirkungen im Klaren sein. Das primäre Ziel der Plattform, ein “globales Finanz- und Identitätsnetzwerk auf der Grundlage des Nachweises der Persönlichkeit” zu schaffen, kann natürlich auch für sinnvolle Zwecke genutzt werden.
Dies zu erreichen, ohne das Vertrauen, die Sicherheit und die Privatsphäre der Nutzer:innen zu gefährden, ist jedoch eine große Herausforderung.
WorldCoin versichert seinen Nutzer:innen zwar, dass es kein Datenunternehmen ist und nicht die Absicht hat, persönliche Nutzerdaten zu missbrauchen. Die Onboarding-Prozesse, insbesondere in Entwicklungsregionen, lassen jedoch anderes vermuten.
Die Beteiligung von Sam Bankman-Fried, dem Gründer der umstrittenen Krypto-Börse FTX, an der ersten Finanzierungsrunde von WorldCoin verstärkt noch den kontroversen Status des Projekts.
Das Projekt befindet sich noch in der Anfangsphase – deshalb ist es vielleicht zu früh, um voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen. Dennoch erwecken die bisherigen Entwicklungen den Eindruck, dass es sich um ein Projekt handelt, das mit ethischen und operativen Problemen zu kämpfen hat.
Der in der Krypto-Szene populäre Aktivist für Dezentralität Chris Blec kritisiert das Projekt auf Twitter scharf:
“WorldCoin macht sich die Tatsache zunutze, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen komplett naiv und nicht in der Lage sind, kritisch darüber nachzudenken, warum sie ihren Retina-Scan nicht gegen ein paar Dollar eintauschen sollten.”
WorldCoin bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen der Revolutionierung der digitalen Identität und möglichen Fehlentwicklungen, wie es bei vielen bahnbrechenden Innovationen der Fall war. Nur die Zeit wird zeigen, ob das Versprechen mit den Zielen übereinstimmt und gleichzeitig Vertrauen und Sicherheit gewährleistet bleiben.
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