Während sich der Staub des FTX-Zusammenbruchs noch legt, fragen sich die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, wie sie mit dem wilden Westen der Kryptowährungen umgehen sollen.
Ende letzten Jahres spielte sich auf der politischen Bühne der EU ein wahrhaftiges Drama ab: Am 9. Dezember wurde Eva Kaili, die “Krypto-Königin” des EU-Parlaments, wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet – die Mitgliedstaaten waren erschüttert.
Im Zuge von Razzien beschlagnahmte die Polizei Telefone, Computer und Bargeld im Wert von 600.000 Euro von Kaili und drei weiteren Personen. Hinter der Anklage wegen Korruption steckt der Verdacht, Kaili habe illegale Gelder für Lobbyarbeit im Namen von Katar, dem Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft, angenommen.
In einem Brüsseler Hotel wurde ein Koffer mit mehreren hunderttausend Euro gefunden, weitere 150.000 Euro in Kailis Wohnung. Insgesamt durchsuchte die Polizei 19 Wohnungen und nahm auch den Vater der Politikerin fest. Das Vermögen ihrer Familie in Griechenland wurde ebenfalls eingefroren.
Kaili wies die Korruptionsvorwürfe zurück, beteuerte ihr Unschuld und erklärte, sie stehe in keinerlei Verbindung zu irgendwelchen Bestechungen durch Katar.
Während dieses Geschehen Politiker sowie EU-Beobachter in seinen Bann zog, wirft es auch unweigerlich einen Schatten auf die Kryptoindustrie. Nach dem Zusammenbruch von Terraform Labs und FTX kann man es dem Laien wohl kaum verübeln zu denken, die Branche sei voller Lügner. Leider bekräftigt die Verhaftung von Eva Kaili diese Annahme noch obendrein.
Da hilft auch ihr Status als eine der zuverlässigsten Befürworterinnen von Krypto nichts.
2023 wird ein entscheidendes Jahr für die europäische Kryptoszene sein
Kaili war eine der wenigen Krypto-Fürsprecherinnen der politischen Linken. Sie war auch ein hochrangiges Mitglied des Parlaments und diente von Januar 2022 bis zu ihrer Verhaftung im Dezember als eine von vierzehn Vizepräsidentinnen.
Darüber hinaus galt die ehemalige Fernsehmoderatorin als eine der glamourösesten Abgeordneten des Kontinents. Boulevardzeitungen bezeichneten sie sogar als eine der attraktivsten Politikerinnen des Kontinents.
Der niederländische Sozialist Paul Tang meinte gegenüber POLITICO:
“Sie war eine Cheerleaderin der Kryptobranche, allerdings ziemlich isoliert auf der linken Seite des politischen Spektrums. Der nächste Cheerleader muss blitzsauber sein, wenn wir daraus eine Lehre ziehen wollen.”
Das nächste Jahr ist für Kryptounternehmen, Lobbyisten und Befürworter entscheidend. Die Verordnung über Märkte für Krypto-Assets (MICA) harmonisiert die Regeln für digitale Vermögenswerte in der gesamten EU und setzt einen gemeinsamen Standard. Aufgrund der 12 bis 18-monatigen Anpassungszeit wird die Verordnung frühestens Ende 2024 vollständig in Kraft treten. Doch die französische Finanzaufsichtsbehörde forderte bereits strengere Regeln.
Am 9. Januar will Marie-Anne Barbat Layani, Vorsitzende der französischen Finanzmarktaufsicht (AMF), Lizenzen für registrierte Kryptounternehmen vorschreiben. Auf einer Veranstaltung gab sie bekannt:
“Die AMF, wie auch das Parlament, fordern einen beschleunigten Übergang zu einem System mit obligatorischer Lizenzierung für nicht registrierte Anbieter von Krypto-Diensten.”
Höchstwahrscheinlich wird Frankreich nicht als einziges Land in der Europäischen Union derartige Regelungen fordern. Ganz im Gegenteil könnten ähnliche Forderungen innerhalb des Europäischen Parlaments bald öfter zu hören sein.
Auch andere Europaabgeordnete äußern sich zum Krypto-Thema
Eine der lautesten Stimmen hinsichtlich Kryptoregulierungen ist der niederländische Europaabgeordnete Paul Tang. Er setzte sich vehement für eine strengere Kontrolle von nicht gehosteten (selbstverwalteten) Wallets ein. Seiner Ansicht nach muss die Identität der Besitzer von solchen Wallets überprüft werden, um zu verhindern, dass Gelder in kriminelle Hände fallen.
Tang hat auch auf das koordinierte “Smurfing” als Risiko hingewiesen. Unter Smurfing versteht man die Aufteilung einer großen Geldsumme in mehrere kleinere Transaktionen, um eine behördliche Überprüfung zu vermeiden.
In einem Twitter-Thread im März letzten Jahres meinte er:
“Dies sind wichtige Instrumente zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Einige Krypto-Lobbyisten werden die zusätzliche Arbeit nicht mögen. Aber ein Teil unserer Gesellschaft zu sein, ist mit Verpflichtungen verbunden. Die Banken bekämpfen bereits kriminelles Geld. Kryptoenthusiasten sollten sich dem stellen und es ihnen gleichtun.”
Im vergangenen Juli gelang es Tang und seine Kollegen jedoch nicht, selbstverwaltete Wallets in Geldwäscheprüfungen mit einzubeziehen. Damals erklärte er gegenüber CoinDesk:
“Wir können uns nicht nur auf den regulierten Sektor konzentrieren und gleichzeitig die Hintertür für große anonyme Kryptoflüsse offen halten.”
Im Laufe des Jahres 2022 war Tang aufgrund seiner Kampagnenarbeit oft das Ziel von bissigen Beschimpfungen seitens der Krypto-Community.
Forderung nach Gleichgewicht zwischen Verbraucherschutz und Innovation
Lidia Pereira, portugiesische Abgeordnete, gehört der Mitte-Rechts-Fraktion an und verfügt über eine ausgewogenere Perspektive. Die 31-Jährige hob zuvor die junge Nutzerbasis von Kryptowährungen als einen Grund hervor, die Branche ernst zu nehmen. Ihrer Meinung nach sollte die EU ein Gleichgewicht zwischen Verbraucherschutz und der Maximierung von Chancen schaffen. In der Videoserie Tech A Look meinte sie:
“Einerseits sind wir dazu verpflichtet, für den Schutz der Anleger zu sorgen. Andererseits haben wir ein riesiges Potenzial, um Innovationen auf den europäischen Markt zu bringen. Wir können uns daher nicht nur einseitig positionieren.”
Auch Dr. Stefan Berger ist ein möglicher Kandidat für das Amt des neuen führenden Krypto-Vertreters im Parlament. Wie Pereira sind auch seine Ansichten moderat und kryptofreundlich. Der deutsche Europaabgeordnete befürwortet im Allgemeinen ein Gleichgewicht zwischen einer klaren und fairen Regulierung und der Förderung von Innovationen. In einem Blog schrieb er bereits über die Notwendigkeit eines Euro-CBDC und eines kryptofreundlichen Umfelds in der EU:
“Ein digitaler Euro würde das Bargeld ergänzen, nicht ersetzen. Europa muss Standards setzen, anstatt denen anderer zu folgen. Eine CBDC wäre der Beweis für Fortschritt und Integration in Europa. In der Zwischenzeit sind die Währungsbehörden dazu aufgerufen, das Vertrauen in das Finanzsystem wiederherzustellen.”
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