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Dezentralisiere dich selbst: Interview mit Travin Keith

9 min
Aktualisiert von Tobias W. Kaiser
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IN KÜRZE

  • BeInCrypto hat den Entrepreneur Travin Keith interviewt.
  • Als digitaler Nomade, der in acht Ländern gelebt hat, hatte er einige Tipps dazu, wie man sich selbst dezentralisieren kann.
  • Keith schaut mit Interesse auf neue DeFi-Anwendungsfälle, sieht aber auch einige fundamentale Probleme.
  • promo

Beim Hacker Congress Paralelní Polis in Prag traf BeInCrypto auf Travin Keith, Entrepreneur und digitaler Nomade. Dies hatte er zu sagen.
BeInCrypto: HCPP20 neigt sich dem Ende zu. Was war dein Gesamteindruck von dem Event? Travin Keith: Es war gut, aber sehr stressig für mich. Außerdem war es ein bisschen komisch. Bei den ersten beiden Malen hatten wir viel mehr Leute hier, mit denen wir reden konnten, aber es war trotzdem schön, da in der letzten Zeit kaum noch Konferenzen und Veranstaltungen hatten. Der Inhalt der Vorträge war natürlich ausgezeichnet. Ich bedaure sehr, dass ich aufgrund meiner begrenzten Zeit hier Meetings rund um die Veranstaltung außerhalb von Paralelní Polis ansetzen musste. Ich konnte also nicht so lange bleiben, wie ich gerne gewollt hätte, aber es ist ein gutes Zeichen, dass wir trotz aller politischen Veränderungen immer noch eine so gute Veranstaltung haben können.

Die Lockdowns waren stressig, aber angemessen

BeInCrypto: Ja, es ist wirklich schade, dass COVID-19 mit der Konferenz etwas in die Quere gekommen ist. Es betrifft allerdings nicht nur uns in unserer kleinen Filterblase, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes. Wie bewertest du die Reaktion auf die Pandemie, und wie wirkt sie sich auf dich persönlich aus? Travin Keith: Ich würde gerne die zweite Frage zuerst beantworten. Ich arbeite größtenteils digital und war früher ein digitaler Nomade, bevor ich sesshaft wurde. Daher ist es ziemlich schön, auch mal für längere Zeit am selben Ort zu sein. Das war etwas, ich wirklich mal wollte, nachdem ich in den letzten zwei Jahren etwa 180 Mal geflogen bin. Leider lief mein Consulting-Unternehmen nicht so gut, daher hatte ich generell weniger Sprechstunden, was wirklich schmerzhaft war. Meine Frau arbeitete im Eventmanagement und verlor aufgrund der Situation ihren Job, aber zum Glück geht es uns immer noch gut. Ich habe in dieser Zeit versucht, eine Design-Agentur zu gründen, da ich etwas Freizeit hatte, aber das hat auch nicht so gut geklappt, wie ich gehofft hatte, und schließlich endete ich damit, dass ich eine Firma für Cybersicherheit gründete. Es war allerdings etwas ärgerlich, dass ich nicht in der Lage war, Leute zu treffen.
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Ein Bild von BeInCrypto.com.
Für mich ist das mein Weg, um Stress abzubauen. Ich stehe durch meine Präsentationen und Workshops sehr unter Stress, aber es ist immer nett, Leute zu treffen und so bekomme ich neue Energie. Ich wurde also von einer Menge Stress überwältigt und ich bekam tatsächlich Augenspasmen, die so stark waren, dass ich etwa anderthalb Wochen lang nicht lesen konnte. Mein linkes Auge zuckte pausenlos, da sich dieser Stress körperlich manifestierte. Aber insgesamt gab es einige schöne und einige schlechte Dinge. Was die Reaktion auf das Virus betrifft, so kann ich nur für die Schweiz sprechen, da ich sie nicht in anderen Länder verfolgt habe. Natürlich habe ich die Nachrichten über andere Länder gelesen, aber ich bin ihnen nicht wirklich emotional gefolgt. Für mich in Zug war es die meiste Zeit in Ordnung, denn über weite Strecken war noch vieles im Gange, was wir nicht wirklich verstanden haben. Inzwischen haben die Maßnahmen stark nachgelassen, so dass man jetzt auch wieder ohne Maske ins Restaurant gehen kann. Wir brauchen sie immer noch in Bussen und ich denke, dass das ist in Ordnung geht. Insgesamt denke ich, dass die Reaktion jetzt angemessen ist, da wir eine kleine Stadt sind und es dadurch bereits eine natürlichen Grad an Social Distancing gibt, aber ich kann nicht für den Rest der Welt sprechen.

Denkt darüber nach, was ihr wollt und was ihr braucht

BeInCrypto: Der Titel deines Vortrags war Decentralize Yourself, was du als digitaler Nomade, der in acht verschiedenen Ländern lebte, sicherlich getan hast. Was ist dein Fazit von dieser Reise? Travin Keith: Es ist ein großer Vorteil, nicht an ein einzelnes Land gebunden zu sein, aber für mich war vieles davon eigentlich unbeabsichtigt. Als ich diese Reise begann, wollte ich einfach von den Philippinen wegziehen, da ich dort nicht glücklich war. Ich sah die Vorteile, die es mit sich bringt, in ein anderes Land zu fliehen und war auch zuversichtlich, dorthin zu gehen. Aber auf der anderen Seite können Dinge wie der Gang zum Arzt ziemlich nervig sein. Ich hatte zum Beispiel viele gesundheitliche Probleme, und diese musste ich dann bei jedem neuen Arzt wieder vortragen, wenn er keinen Zugang zu meinen medizinischen Unterlagen hatte. Ich musste also immer alle Dinge aufzählen, die mir in den USA, dann auf den Fidschi-Inseln und dann in Großbritannien passiert sind, und es ist schwierig, das alles im Kopf zu behalten. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch schwierig, genaue Informationen über mich zu finden. Es gibt immer noch fünf oder sechs Regierungsbehörden, die noch meine alten Adressen haben, und einige von ihnen sind nicht einmal korrekt. Das waren nur Angaben, die ich mal auf einem Formular ausgefüllt habe, und irgendwie wurden sie als meine offizielle Adresse behandelt. Eine davon ist immer noch meine alte Postfachadresse, bei der es sich nur um ein Büro handelt, das zugestimmt hat, sich um meine Pakete zu kümmern. Außerdem ist es schwierig, herauszufinden, was genau ich überall getan habe. Man müsste aus jedem Land, in dem ich lebte, Daten anfordern, um ein halbwegs vollständiges Bild von mir zu erhalten.
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Ein Bild von BeInCrypto.com.
Was ich wirklich hervorheben will, ist die Möglichkeit, ein Unternehmen in einem anderen Land zu gründen. Das ist viel einfacher, als die meisten Leute denken. Man braucht nicht einmal physisch dorthin zu gehen und die Vorteile sind wirklich groß. Zum Beispiel, wenn es etwas gibt, das man wirklich tun möchte, mit dem man nicht in Verbindung gebracht werden möchte. In diesem Fall kann ein Offshore-Unternehmen wirklich helfen. Einige Länder sind nicht wirklich kryptofreundlich. Wenn man also dort lebt, macht es Sinn, dass man dort nicht persönlich handelt, sondern als ein Unternehmen, welches in einem anderen Land ansässig ist. Dann befinden sich alle Daten in diesem anderen Land und es ist unwahrscheinlich, mit Ihnen in Verbindung gebracht zu werden. BeInCrypto: Um sich zu dezentralisieren, welche Länder würdest du empfehlen? Travin Keith: Das hängt davon ab, was genau man haben will. Ich kann dafür kein spezifisches Land nennen, da es immer davon abhängt, was man braucht. Brauchst du einen Ort, um wegzulaufen? Ich brauche einen. Ich brauche dafür einen Ausweichplatz aus verschiedenen Gründen. Aber das ist ein anderes Gesprächsthema für einen anderen Tag. Wie ich schon sagte, brauchen einige Leute, die mit Kryptographie arbeiten, einen Ort, an dem sie sich abschirmen können, damit das nicht direkt mit ihnen in Verbindung gebracht wird. Zu diesem Zweck kann ich Länder empfehlen, die keine strengen Anforderungen bezüglich Geschäftsberichten und Steuererklärungen haben. Ein Land wie die Seychellen könnte ein guter Anfang sein, um sich in diese Richtung zu dezentralisieren, aber wenn man einen Ort braucht, um zu flüchten, dann sollte dies idealerweise nicht im selben Land sein, wo man sein Geschäft hat. Man braucht natürlich auch ein gewisses Wissen und Verständnis für die Orte, an die man gehen möchte. Deshalb kann ich jedem nur empfehlen, sich etwas Bedenkzeit zu nehmen, um darüber nachzudenken, mit welchen Problemen man konfrontiert ist und mit welchen Ländern man sich auch identifizieren kann. Ich könnte Svalbard empfehlen. Das liegt am Nordpol, aber viele Menschen mögen keine Temperaturen von -10 bis -30 Grad oder dreieinhalb Monate ohne Sonne. Ich liebe dreieinhalb Monate ohne Sonne, aber das ist wirklich von Mensch zu Mensch verschieden, also muss man sich überlegen, was man braucht und was einem gefällt. BeInCrypto: Der Nordpol klingt auf jeden Fall wie ein guter Ort, um sich zurückzuziehen. Travin Keith: Es macht Spaß dort zu leben. Nun, es ist auch schwierig, man muss sich daran gewöhnen. Aber hier befindet sich übrigens auch der Global Seed Vault. Wenn man also in der Nähe des Saatgutlagers leben will, in der Nähe eines Ortes, um den sich die ganze Welt kümmern muss, ist das ein weiterer Faktor, den man berücksichtigen kann. Die Welt muss wirklich darauf achten, dass dieser Ort am Leben bleibt.

DeFi wird langsam nützlich, ist aber overhyped

BeInCrypto: Bei einem anderen Event hast du im letzten Jahr darüber gesprochen, wie Bitcoin dezentrale Ökosysteme vorantreibt. Bei diesem Begriff kommt einem DeFi in den Sinn. Wie ist deine Sicht auf die derzeitige DeFi-Landschaft? Travin Keith: Meine Meinung ist gemischt und ändert sich von Tag zu Tag. Ich muss zugeben, dass ich nicht viel Zeit damit verbracht habe, aber als ich das erste Mal davon hörte, dachte ich, dass es nur ein ausgefallener Begriff sei, der auf etwas angewendet wird, von dem ich bereits wusste, dass es passiert. Man denke nur daran, was Maker DAO gemacht hat. Aber warum auch nicht. Ich habe mich allerdings nicht allzu sehr darum gekümmert. Im Moment gibt es nur überbesicherte Kredite und ich bin kein Händler, also begreife ich nicht wirklich, wozu das alles nützlich sein soll. Aber es ist komisch, weil ich ja mal für NXT und Ardor gearbeitet habe. Dort hatten wir auch eine dezentralisierte Börse auf unserer Plattform, aber sie war nur wenig nützlich, weil sie keine Liquidität hatte.
DeFi.
Ein Bild von BeInCrypto.com.
Es ist also interessant zu verstehen, wie DeFi es ermöglicht, diese Projekte ein bisschen nützlicher zu machen. Als Anwendungsfall ergeben dezentralisierte Handelsplattformen durchaus Sinn. Dennoch wird sie niemand nutzen, wenn keine Liquidität vorhanden ist. Dieser Aspekt ist für mich spannend. Ich denke, das könnte man auch auf Dinge wie Versicherungen übertragen, bei denen es einen dezentralisierten Pool anstelle einer zentralisierten Versicherungsgesellschaft gibt. Auch Peer-to-Peer-Wetten könnten ein guter Anwendungsfall sein. Sicher, es hat Versuche gegeben, diese Plattformen auf Ethereum aufzubauen, aber kaum jemand hat sie bisher genutzt. Wenn die Leute eines Tages damit beginnen, sie zu nutzen, könnte dies auch den Anstoß für ein dezentralisiertes Ökosystem geben. Von dieser Seite ist es also recht interessant, aber ich bin nicht wirklich ein Fan davon, wie das zur Zeit mit Yield Farming umgesetzt wird. Ich meine, Leute verdienen Geld damit und das ist auch in Ordnung. Aber ich habe auch Angst, dass zu viel Hype darum gemacht wird. Sagen wir einfach, dass es um das Fundament rund um DeFi im Moment nicht so gut bestellt ist. Viele Leute kaufen DeFi Tokens, aber nicht unbedingt, weil das Projekt gut ist, sondern weil sie glauben, dass der Kurs nach oben gehen wird, weil der Token nach einem Lebensmittel benannt ist, das die Leute mögen. Übrigens, hört bitte auf, DeFi-Projekten nach Nahrungsmitteln zu benennen. Ich bekomme schon Hunger. BeInCrypto: Ja, bitte. Proof of Work, oder Proof of Stake, welches bevorzugst du und warum? Travin Keith: Ich wusste, dass du noch mal auf meine Arbeit bei NXT zurückkommen würdest. Aber ich denke, vom Standpunkt der Token-Verteilung ist Proof of Work besser, daran besteht kein Zweifel. Es gab bisher kein einziges Proof of Stake System, das, zumindest meiner Meinung nach, eine offene und faire Verteilung hatte. All das ist jedoch im Kontext von elektronischen Peer-to-Peer Währungen auf Layer 1 zu sehen. Es gibt definitiv einige vernünftige Argumente für Proof of Stake, sonst hätte ich niemals für NXT gearbeitet. Es ist eben meine persönliche Vorliebe, die sich geändert hat, während ich mehr in diesem Bereit arbeitete und mehr über solche Dinge nachdachte. Darüber hinaus hängt natürlich alles von der jeweiligen Implementierung ab, von der Logik dahinter und von dem Ziel des Netzwerks. Natürlich gibt es viele Argumente, die gegen Proof of Work sprechen, wie die Möglichkeit, dass ein Land mit viel Mining-Leistung das Netzwerk zensieren könnte. Nehmen wir also an, dass Bitcoin in Europa tatsächlich viel eingesetzt wird und Nordkorea die europäischen Aktivitäten stören will. Sie können eine Menge Mining-Leistung anschaffen und die ganze Zeit leere Blöcke erzeugen. Sie werden natürlich nicht alle Blöcke bekommen, aber sie könnten trotzdem hin und wieder das Netzwerk verlangsamen und Verzögerungen verursachen. Dies ist jedoch sowohl ein Feature, als auch ein Bug, da jeder in das System einsteigen kann. Im Gegensatz dazu muss man, um in Proof of Stake einzusteigen, den Token zuerst von jemand anderem kaufen. Ich verstehe auch das Argument über den Energieverbrauch zugunsten von Proof of Stake, aber persönlich neige ich immer noch mehr zu Proof of Work. Und das kommt von jemandem, der selbst an einem Proof of Stake System gearbeitet hat.

Ruhe bewahren und das Bitcoin Whitepaper lesen

BeInCrypto: Gibt es noch etwas, was du der Community sagen willst? Travin Keith: Es ist immer großartig, wenn mehr Leute mitmachen. Das ist für mich als jemand, der 2016 einen massiven Karrierewechsel vollzogen hat, immer sehr beruhigend. Damals hätte man mich einen Idioten nennen können, weil ich alles fallen gelassen habe, was ich hatte. Außerdem hatte ich damals einige finanzielle Probleme. Die Entscheidung, meine Karriere zu ändern, mag daher vielleicht nicht der klügste Schritt gewesen sein. Aber zu sehen, wie die Krypto-Community in den letzten vier Jahren gewachsen ist, ist ein vielversprechendes Zeichen dafür, wohin das alles noch führen wird. Wenn ihr seht, dass die Kurse fallen sinkt, oder das Interesse an Krypto wieder abnimmt, schaut euch an, was andere Leute tun, die zuvor an Projekten gearbeitet haben. Was tun sie jetzt? Sind sie noch da? Wenn es sie noch gibt, ist das ein gutes Zeichen. Also bleibt am Ball, bildet euch weiter und lest das Bitcoin-Whitepaper einfach noch einmal, wenn ihr jemals enttäuscht seid. Das ist immer eine gute Sache, zu der man stets zurückkehren kann. BeInCrypto: Natürlich. Vielen Dank für das Interview. Travin Keith: Ebenfalls vielen Dank. Übersetzt aus dem Englischen von Tobias W. Kaiser.
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