Die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) Christine Lagarde spricht sich bei ihrer gestrigen Rede vor dem Europäischen Parlament klar für eine strengere Regulierung von Kryptowährungen aus. DeFi stelle ein Problem für die finanzielle Stabilität dar. Was steckt in den Aussagen von Frau Lagarde?
Zum gestrigen Besuch bei dem Europäischen Parlament (EP) nahm sich Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), auch dem Thema Kryptowährungen an. Neben Inflation und dem Immobilienmarkt diskutierte die Präsidenten der EZB auch DeFi – und identifizierte darin gleich ein Übel. Wir wollen dir einen Überblick verschaffen!
Lagarde genügt der rechtliche Rahmen MiCa, welcher von dem EP gerade diskutiert wird, nicht. Ihr wäre es am liebsten, wenn die Gesetzgeber noch MiCa 2 einführen, um damit auch Bitcoin, Staking und Lending zu regulieren.
“DeFi und Kryptowährungen tragen das Risiko in sich, das Finanzsystem zu destabilisieren. Falls der Markt weiter wächst und sich mit traditionellen Finanzen und der Wirtschaft verstrickt, wäre dies der Fall.”
Zurzeit seien die Verstrickungen zwischen Kryptowährungen und traditionellem Finanzsektor noch nicht in diesem Ausmaß gegeben.
Ihr ist es ein Dorn im Auge, dass MiCa erst im Jahr 2024 eingeführt wird. “Kreativität und Gier lassen den Kryptosektor schnell wachsen, weshalb Europa eine schnellere Regulierung braucht”, meint Lagarde. Nichtsdestotrotz dankt sie dem EP für die bisherige Arbeit an MiCa.
Um ihre ganze Aussage abzurunden, meint Lagarde noch, dass Betrug, Spekulation, kriminelle Machenschaften und überzogene Unternehmensbewertungen das Space derzeit dominieren. Wir stellen uns die Frage: Ist das ihre subjektive Meinung oder objektiv begründbar?
Wie sollten wir das DeFi- und Krypto- “Problem” lösen, Frau Lagarde?
Zuerst einmal sollte das EP die MiCa 1-Regulierung, wie sie es nennt, schneller einführen. In diesen Zeiten brauchen wir Stabilität und Sicherheit. Wenn es nach ihr ginge, sollte das EP die jetzige Regulierung nämlich MiCa 1 nennen. Da sich MiCa 1 explizit auf Dienstleistungen von Finanzinstitutionen bezieht, ist Bitcoin beispielsweise ausgeschlossen. Ebenso regelt die derzeit bearbeitete Regulierung nicht die Themenbereiche Staking und Lending.
“Wenn es keinen Intermediär gibt (z.B. Finanzinstitution) kommt MiCa nicht zur Anwendung. Soweit ich weiß, ist das bei Bitcoin der Fall.”
Durch eine solche Regulierung würde das Risiko für Konsumenten minimiert und Klarheit geschaffen werden.
EZB und Kryptowährungen: Eine Einschätzung
BeInCrypto´s Journalist Antonio Lukic kommentiert:
“Kreativität und Gier lassen Kryptowährungen zu schnell wachsen.”
Frau Lagarde führt zu Beginn ihrer für mein Erachten doch subjektiven Argumentation einen guten Punkt aus: Kreativität. Denn diese braucht es unter CEOs und Mitarbeitern, um wahre Innovation voranzutreiben. Würden die ganzen Unternehmensgründer nur auf der Stelle herumtrampeln, hätten wir bis heute wichtige Innovationen, wie die Glühbirne, den Staubsauger oder das Internet nicht erlebt.
Dass Innovation mit Kapitalineffizienz einhergeht, ist leider oft der Fall. Dies sehen wir unter anderem an den vielen gescheiterten Unternehmen, die es wahrlich versucht haben, aber am Ende die weiße Flagge hissen mussten.
Denk doch nur einmal an die vielen Milliarden US-Dollar, die in den 2000ern zur Zeit der Internetblase ausgegeben wurden. An der blauen Linie siehst du auch, wie rasant die Deals nach dem Jahr 2001 fielen. Nichtsdestotrotz gründete Bezos die größte E-Commerce-Plattform Amazon im Jahr 1994. Google kam erst vier Jahre danach.
Dass Gier als menschliche Emotion eine Rolle spielt, ist unumstritten. Überall dort, wo Menschen sich bereichern können, spielt Gier einen entscheidenden Faktor. Zum Beispiel bei Politikern, welche immer wieder in Veruf geraten, Korruptionsgelder erhalten oder öffentliche Gelder veruntreut zu haben.
Ich verwende explizit dieses Beispiel, um deutlich zu machen, dass menschliche Gier nicht einmal vor strafrechtlichen Konsequenzen haltmacht.
“Betrug, Spekulation, kriminelle Machenschaften und überzogene Unternehmensbewertungen.”
Zu dem Thema der kriminellen Aktivitäten haben wir von BeInCrypto schon öfter berichtet. “Lediglich” 14 Milliarden US-Dollar sind 2021 Aktivitäten wie Geldwäsche, Scams oder anderen Betrügereien zuzuschreiben. Kriminelle Aktivitäten mit Fiat-Geld hingegen liegen 2021 bei fast 2 Billionen US-Dollar.
Natürlich ist dies ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen, aber gibt einen Einblick über das Ausmaß anderer Probleme – diese werden nicht so harsch bekämpft.
Dass Spekulationen und überzogene Unternehmensbewertungen teilweise zumindest durch die Niedrigzinspolitik befeuert werden, erwähnt Lagarde nicht. Ihrer Meinung nach ist ja auch die Inflation rein auf die Invasion Russlands und externe Faktoren (z. B.: COVID) zurückzuführen. Spekulation beruht auf der Annahme, dass Preise kurz- bis mittelfristig stark steigen.
Fließt ein großer Teil des gedruckten Geldes bzw. billigen Kredits in Finanzassets, dann steigen diese. Siehe Immobilienpreise (wo Spekulation gerade so wütet).
“Bitcoin, Staking und Lending in MiCa 2 erfassen.”
Hier bringen Experten immer wieder ein, dass es besser ist irgendeine Art von Regulierung zu schaffen, als gar keine zu haben. Im Rahmen der Massenadaption wird es so wie es derzeit aussieht auch nicht ohne Regulierung funktionieren. Fraglich bleibt: Wie soll die EU Bitcoin regulieren? Im DeFi-Bereich passen sich die Unternehmen der MiCa-Verordnung an, weil sie Klarheit schafft. Aber Bitcoin?
Was sind die Optionen? So wie in Deutschland vor einigen Monaten bereits diskutiert, den Bitcoin einfach verbieten? Will der Staat dann jeden Haushalt mit einem Wallet kontrollieren? Oder durch Eingriffe in unsere Privatsphäre Analysesoftware verwenden?
Auch wenn DeFi-Protokolle keine zentrale Instanz, wie ein Unternehmen, haben sollte, wäre diese trotzdem z.B. über das Internet oder den App-Store greifbar. Bitcoin zu regulieren, wird allerdings auf einigen Gegenwind stoßen.
Die zum Teil subjektiven Sichtweisen von Frau Lagarde könnten so manchen Politiker im EP dazu anregen, sich tatsächlich noch Gedanken zu MiCa 2 zu machen. Mal sehen, was die Zukunft bringt.
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