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Patrick Hansen von Bitkom im Interview: Tokenisierung und Blockchain in Deutschland

8 min
Aktualisiert von Alexandra Kons
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IN KÜRZE

  • „Wir sind in Deutschland das mit Abstand größte und aktivste Netzwerk im Blockchain-Bereich.“
  • „Die Blockchain ist noch kein riesiges Thema und wird erst von den wenigsten Unternehmen in Deutschland eingesetzt oder angeschaut.“
  • „Auch über Wertpapiere hinaus kann man eigentlich alles tokenisieren, was gehandelt werden kann.“
  • promo

Patrick Hansen ist der Head of Blockchain bei Bitkom. Außerdem war Patrick als Sprecher auf der Crypto Assets Conference der Frankfurt School of Finance. Bezugnehmend darauf hat Patrick im Interview mit BeInCrypto einige Fragen rund um die Adaption der Blockchain-Technologie in Deutschland beantwortet.
Patrick entwickelt beim Digitalverband Bitkom Strategien zur Vernetzung von Unternehmen, die die Blockchain-Technologie für sich nutzen möchten. Gleichzeitig liegt sein Fokus auch auf der Etablierung rechtlicher Rahmenbedingungen, die den breitflächigen Einsatz der Blockchain fördern sollen. Patrick, was genau ist Bitkom?
Bitkom ist der größte deutsche Digitalverband mit insgesamt 2000 Mitgliedsunternehmen. Auch im Blockchain-Bereich sind wir das größte und aktivste Unternehmensnetzwerk und treiben gemeinsam die politischen Rahmenbedingungen für die noch junge Technologie voran.

Blockchain-Umsetzung und Tokenisierung

Du warst als Sprecher auf der Crypto Assets Conference der Frankfurt School of Finance. Worum ging es in deinem Vortrag?
Bei meinem Vortrag ging es um Tokenisierung, ein bisschen über die Zahlen, Fakten und die Stimmung in Deutschland zu dem Themenfeld. Wir haben da vor einem Jahr im Bitkom eine repräsentative Umfrage über den Stand der Blockchain-Umsetzung in deutschen Unternehmen veröffentlicht. Daraus gab es ein paar Zahlen, dazu noch weitere Statistiken zum Tokenisierungsmarkt. Und am Ende habe ich noch etwas über die Regulierung erzählt und wie Regulierung sozusagen in Deutschland und in der EU den Markt zum Abheben bringen könnte.
Patrick erklärt, was Tokenisierung im Detail bedeutet:
Tokenisierung ist im Endeffekt die digitale Abbildung Verkörperung eines Rechts oder eines Assets, eines Wertes in einem digitalen Asset, das eben auf einem dezentralen Blockchain-System oder Distributed Ledger Technology läuft. Wenn ein Token ein Recht oder ein Wert digital auf abbildet, dann nennen wir das Tokenisierung. Das hat verschiedene Vorteile.

Das Potenzial der Blockchain und der Tokenisierungsmarkt

Natürlich weiß Patrick zu berichten, wie der aktuelle Stand der Dinge der Tokenisierung in Hinblick auf die Integration dieser Technologie bei Unternehmen in Deutschland ist:
Da kann man sagen, die Blockchain ist noch kein riesiges Thema und wird erst von den wenigsten Unternehmen in Deutschland eingesetzt oder angeschaut, weil das eben noch ausreichendwirklich verstanden wird oder bekannt ist. Gerade, wenn man es mit anderen neuen Technologien, wie AI oder Cloud Computing vergleicht. Trotzdem wird aber in der Blockchain-Technologie großes Potenzial für die Tokenisierung von Assets gesehen. Blockchain als dezentrales Transaktionssystem birgt ein großes Potenzial, genauso wie Blockchain als sicheres Register für private Schlüssel, Zertifikate, sowie mehr Transparenz und Nachverfolgbarkeit von Werten. Auch wenn deutsche Unternehmen dies jetzt noch nicht umsetzen, sehen sie dennoch großes Potenzial in dieser Technologie. In den nächsten Jahren könnte sich dahingehend einiges verändern.
Wie groß könnte der Tokenisierungsmarkt in Zukunft sein?
Die Schätzung des World Economic Forum ist, dass im Jahr 2027 zehn Prozent des globalen GDIPs tokenisiert abgebildet wird. Das wären insgesamt ca. 24 Trilliarden USD. Also riesige Werte. Spannend ist auch, dass wenn im Moment von der Blockchain die Rede ist, dass man sich in der Finanzindustrie vor allem Kryptowährungen ansieht. Es wird aber von allen geschätzt und davon ausgegangen, dass solche tokenisierten Wertpapiere von Werten, die eben auch heute schon bestehen, wie beispielsweise Aktien oder Anleihen oder Investmentfounds, dass die Marktkapitalisierung von solchen Token die Marktkapitalisierung von Kryptowährungen in den nächsten Jahren deutlich überrollen wird.

Regulierung als Roadblocker und Sandboxing

Patrick sprach auf der CAC20 aber nicht nur über das Potenzial der Tokenisierung, sondern auch über die Hürden, die diese Technologie noch zu überweinden hat.
Beim zweiten Teil meiner Präsentation ging es dann insbesondere darum, wie Regulierung im Moment noch der größte Roadblocker für Tokenisierung ist. Eigentlich weltweit, aber auch in Deutschland und in Europa. Ich habe gezeigt, warum sich das in meinen Augen ändern wird. Dabei spielen kürzlich geänderte Gesetze und eingereichte Gesetzesentwürfe eine große Rolle. Wie beispielsweise in Deutschland die Einführung des Krypto-Verwahrungungsgesetzes als neue Finanzdienstleistung bei der BaFin. Und auch in Hinblick auf tokenisierte Wertpapiere und die dezentrale Abwicklung von Wertpapieren, da ist man in der EU recht aktiv.
Patrick erklärt, dass im September dahingehend einige Vorschläge veröffentlicht wurden:
Zum Beispiel die umfassende Regulierung von jeglichen Krypto-Assets und jeglichen Services auf Basis dieser Krypto-Assets. Beispielsweise Verwahrung, Tausch oder auch Brokerage, Finanzberatung etc. All das wird in Zukunft reguliert und fällt dann unter die Markets in Crypto Assets Regulation der EU-Kommission. Das ist ein Meilenstein für die Krypto-Szene, weil da der bestehende nationale Flickenteppich an Regulierungen auf EU-Ebene harmonisiert wird.
Er führt weiter aus, dass in den nächsten Jahren auf EU-Ebene ein Pilot-Regime für Marktinfrastruktur auf DLT-Basis eingeführt werden soll:
Das ist im Grunde genommen das erste europaweite, EU-weite politische Sandboxing-Regime, wo beispielsweise einer Handelsplattform auf DLT-Basis bestimmte regulatorische Freiheiten eingeräumt werden. Da kann es darum gehen, dass es eben keinen zentralen Verwahrer für die dezentral gehandelten Wertpapiere geben muss. Auch das ist ein riesiger Meilenstein, der das Experimentieren von DLT im Kapitalmarkt und das Aufsetzen bestimmter Usecases im Bereich Kapitalmarkt oder DLT-Nutzung im Kapitalmarkt ermöglicht und voranbringen wird. Das wird für ganz eigene Signale im Markt sorgen.

Die Blockchain in Deutschland und Regulatorik

Für Patrick sind regulatorische Entwicklungen der primäre Grund dafür, dass der Tokenisierungsmarkt in den nächsten Jahren sehr deutlich wachsen wird. Wie weit ist die Blockchain in Deutschland bereits verbreitet?
Ich glaube, dass Deutschland, vor allem was die großen Unternehmen angeht, schon relativ weit ist. Vor allem die Finanzindustrie, in Hinblick auf Blockchain-Lösung oder auch Kryptowährungen. Wir haben letztes Jahr eine Studie veröffentlicht. Die heißt Blockchain-Tech in Deutschland. Das sind die Zahlen von 2018. Die sind noch ein bisschen ernüchternd, da waren es 5-6 Prozent aller Unternehmen, die schon Blockchain-Usecases entweder durchführen oder planen und diskutierten. Also noch nicht wirklich viel konkrete Umsetzung.
Patrick weiß allerdings zu berichten, dass sich dies in den letzten beiden Jahren vor allem im Finanzbereich verändert hat.
Das Ganze wird in diesem Bereich von Regulatorik getrieben, die in den letzten 1-2 Jahren dazukam. Seit Anfang des Jahres sind in Deutschland die Krypto-Werte ins Bankenrecht, ins klassische Finanzrecht mitaufgenommen worden. Und seit Anfang des Jahres gibt es auch eine neue Lizenz. Da geht es um die Verwahrung von Krypto-Werten, also Bitcoin und Co. Und diese Lizenz scheint zumindest in Deutschland auf riesiges Interesse zu stoßen. Ich meine, dass sich bereits 60 Unternehmen um diese Lizenz bei der BaFin beworben haben. Da sind Startups dabei, da sind aber auch viele Banken dabei und auch Corporates, die nicht unbedingt zum klassischen Finanzbereich gehören. Allein an dieser Zahl sieht man schon, wie groß doch das Interesse an dem Thema ist.

Tokenisierte Kunst und der traditionelle Wertpapiermarkt

Was denkst du über tokenisierte Kunst? Könnte dieser Bereich in Zukunft relevant werden?
Ja, das ist ein Aspekt von Tokenisierung. Das wird häufig „tokenization of everything” genannt. Auch über Wertpapiere hinaus kann man eigentlich alles tokenisieren, was gehandelt werden kann. Das wird in Zukunft auf jeden Fall auch kommen. Der Vorteil ist, dass es bestimmten Investoren, denen es heute noch nicht möglich war in ein bestimmtes Kunstwerk zu investieren, auch diesen Markt öffnen wird. Es wird eben möglich sein einen kleinen Teil eines Gemäldes zu besitzen, wie beispielsweise einen Bruchteil einer Mona Lisa. Das könnte diese Gegenstände in der Zukunft noch handelbarer machen, weil man die Token über die Blockchain und bestimmte Handelsmärkt handeln kann.
Patrick glaubt, dass dieser Markt in den nächsten paar Jahren stärker aufsteigt.
Wenn ich von Tokenisierung spreche, sehe ich in den kommenden Jahren erst einmal die Veränderung des traditionellen Wertpapiermarktes. Dafür werden im Moment ja auch die regulatorischen Weichen gestellt. In einem weiteren Schritt, wenn dann eben die Infrastruktur schon steht, wenn dann eben der dezentrale Handel möglich wird und es mehr Standards gibt, was Token und Tokenisierung angeht, dass es dann den klassischen Kapitalmarkt und Wertpapiermarkt übersteigt. Dann wird es auch um Kunst und andere NFTs gehen, die mit dem klassischen Wertpapiermarkt nichts mehr viel zu tun haben.

SmartCountry und Privatsphäre

Bitkom ist auch im Bereich SmartCountry aktiv. Während der Bereich von SmartContry oder SmartCity immer weiter wächst, wachsen auch die Zweifel an der Vereinbarkeit von Privatsphäre und intelligenten Infrastrukturen. Auch in Deutschland wird der Einsatz der Blockchain auf Verwaltungsebene diskutiert. Patrick berichtet:
Im September 2019 wurde ja die Deutsche Nationale Blockchain-Strategie veröffentlicht, was auch schon ein großer Schritt war. Es gibt nicht viele Staaten weltweit, die sich eine nationale Blockchain-Strategie vorgenommen haben. Momentan ist das noch ein technologischer Nischenbereich, mit einer hoffentlich rosigen Zukunft. Da ist Deutschland mit großem Engagement herangegangen, da ist viel Symbolik dabei bei so einer Blockchain-Strategie. Insgesamt sind 10 Ministerien beteiligt. Wir haben zum einjährigen Jubiläum, also vor einem Monat, eine Bestandsaufnahme veröffentlicht. Zusammen mit unserem Blockchain-Arbeitskreis.
Patrick berichtet, dass einige Pläne umgesetzt wurden:
Ein Kapitel in der Blockchain-Strategie – es gab insgesamt 5 – hat ganz konkret auch öffentliche Verwaltungsdienstleistung auf Blockchain-Basis genannt. Und da ging es eben darum, wie man als Staat auf Bundes-, Kommunal- und Länderebene Blockchain nutzen kann. Da werden bereits verschiedene Projekte vorangetrieben. Wie zum Beispiel vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF). Zusammen mit anderen Behörden, die in dem Asylprozess involviert sind, geht es hier um ein besseres Datenhandling. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Auch gibt es im Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) verschiedene Blockchain-Usecases, um die Verwaltung von bestimmten Entwicklungsgeldern besser zu managen.
Wie passen Blockchain und Privatsphäre/Datenschutz zusammen?
 Das ist eine Diskussion, die läuft seit Jahren. Wir haben zum Thema Blockchain und Datenschutz auch zwei umfassende Papiere veröffentlicht. Grundsätzlich gilt, private Daten werden nicht auf Blockchains gespeichert. Das wäre mit der DSGVO nicht wirklich vereinbar. In der öffentlichen Verwaltung werden personenbezogene Daten von dir oder mir nicht auf Blockchain gespeichert. Da geht es eher um die Differenzierung von bestimmten Datenprozessen, die dann das Datenmanagement insgesamt durch Dezentralität einfacher machen.

Die Breite der Gesellschaft und die Breite der Wirtschaft

Was sind deine Pläne von dir bei Bitkom für die Zukunft?
Im Grunde genommen haben wir uns als größter deutscher Digitalverband in diesem Blockchain- und Krypto-Sektor einiges vorgenommen. Zum Beispiel möchten wir, dass die großen Player, aber auch die Wissenschaft zusammenkommen, um über diversen Industrien hinaus gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Wie zum Beispiel die von uns bereits veröffentlichten Publikationen und Studien. Aber es geht auch um andere Papiere und öffentliche Stellungnahmen. Wir wollen wirklich – und das gelingt uns im Moment auch schon ganz gut – das Netzwerk sein, das in Deutschland zur Blockchain- und Krypto-Adaption beiträgt angeht. In diesem Sinne wollen wir in den nächsten Jahren noch aktiver werden und als Wirtschaftsverband in erster Linie die politischen Entwicklungen durch unsere Expertise mitprägen und unsere Interessen einbringen.
Patrick führt aus, dass diese junge Branche gehört werden soll:
Das möchten wir noch stärker vorantreiben. Dann geht es uns auch als große Plattform nicht nur darum mit der Regulation und der Politik zu sprechen und dort die Weichen zu stellen, sondern dann ist unser Ziel auch das Thema Blockchain und Krypto noch weiter in die Breite zu tragen. Also die Themen für noch mehr Menschen verständlicher zu machen, sodass jeder partizipieren kann an diesem neu entstehenden Markt. Und über diesen Bereich hinaus, dass der Mittelstand, der in Deutschland so stark ist, sich mehr und mehr dieser Technologie öffnet. Also kurz gesagt ist unser langfristiges Ziel: Die Breite der Gesellschaft und die Breite der Wirtschaft zu erreichen.
Danke, Patrick!
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Alexandra Kons
Alex hat ihren Bachelor in Orient- und Asienwissenschaften an der Friedrich-Wilhelms Universität Bonn absolviert, danach Deutsch als Fremdsprache am Goethe Institut studiert und ihren Master in Arabistik an der Freien Universität Berlin absolviert. Seit 2017 ist sie als Krypto-Journalistin tätig.
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