Die größte Kryptobörse der Welt hat einen neuen Standort etabliert: Deutschland. Kopf des immer größer werdenden Teams ist seit Februar 2022 Michael Wild. Wir haben uns mit dem früheren Quereinsteiger und mittlerweile Managing Director (MD) über Karriere, Krypto und Regulierung unterhalten.
Wie ist das Leben als MD des deutschsprachigen Ablegers der größten Kryptobörse der Welt? Wie balanciert Michael Wild Work-Life-Balance? Und was hält er von der Kryptoindustrie im Allgemeinen? Die faszinierende Story von Michael, MD von Binance Deutschland und der Schweiz, Co-MD von Österreich.
Fünfmal als Fallschirmjäger im Auslandseinsatz, zahlreiche kritische Momente überstanden und nun Geschäftsführer der erfolgreichsten Kryptobörse. Hört sich nach einem Film an? Ist es aber nicht! Im Interview mit Michael wird einem schnell klar: Dieser Mann hat eine Story zu erzählen und diese lautet folgendermaßen.
Der Lebenslauf des Michael Wild
Nach 12 Jahren in der deutschen Bundeswehr entschloss sich der damals 30-jährige Michael, inmitten der Finanzkrise, ein Studium im Bereich Banking und Finance anzufangen. Wie er dazu kam? Eines Tages saß er vor dem Fernseher, sah sich eine Sendung Frontal 21 an und fand Folgendes äußerst interessant: Der Moderator stand vor einer bekannten “Feierabend-Bar” und fragte Bankangestellte, ob sie denn wirklich Banker seien? Die Antwort: Nein, wir sind in Anzug gekleidete Hartz-IV-Empfänger. Auch der Titel der Sendung damals blieb ihm im Kopf: “Das Glücksrad dreht wieder”.
Nach Jobs bei Commerzbank und Schwäbisch Hall, kam er als Berater zu Capco und lernte sich dort in London in den Bereich Risikomanagement ein.
“Ich fand die Komplexität einer Bank damals schon unglaublich faszinierend. Stellte aber natürlich viel infrage. Wieso müssen dort so viele Leute sitzen, um irgendwelche Bestätigungen und Abwicklungen zu manuell zu bearbeiten.”
Mit seiner Leistung machte er auf sich aufmerksam, sodass die Credit Suisse bei ihm anklopfte und ihn als festen Mitarbeiter anstellen wollte. Einige Monate später standen als Leiter des Projektmanagements bei der Bank 80 Arbeitspakete auf der ganzen Welt, 500 Mitarbeiter und 65 Millionen Budget unter seiner Verantwortung.
Bei der Credit Suisse kam er auch das erste Mal mit Analytics, Big Data und der Blockchain in Berührung, als er vom Riskmanagement in den Compliance-Bereich wechselte. Dies war inmitten der digitalen Transformation. Michael wurde schließlich zum Programmmanager einer strategischen Initiative, wobei er sich auch mit anderen Themen auseinandersetzen musste.
“Ich kann mich noch erinnern, dass ich damals das erste Mal auch Erfahrungen mit einem Fast-Burnout gemacht habe. Als meine Frau meine erste Tochter zur Welt brachte, musste ich nach 15 Stunden Kreißsaal ein zweistündiges STC (Meeting) für die Credit Suisse mit zwei Vorstandsmitgliedern halten – nach einem 20-minütiger Powernap. 100 bis 110 Arbeitsstunden die Woche waren anfangs amüsant und normal. Jedoch nicht mehr zum Schluss”, erläutert uns Michael die anstrengende Zeit.
“Nach der Geburt meiner ersten Tochter, habe ich mich hinterfragt, ob es sich wirklich lohnt so viel zu arbeiten. Also entschied ich diesen Beruf nicht mehr auszuüben und ging zur KPMG Deutschland, wo ich der Leiter des RegTech wurde.”
Michael blieb drei Jahre dort, bevor er von einem Neo-Broker kontaktiert wurde: Er sollte ein Unternehmen in Deutschland eröffnen und als MD Operations leiten. Nicht einmal ein Jahr später hatte er 20 erfahrene Mitarbeiter angestellt, ein Unternehmen in Deutschland gegründet und eine Kryptoverwahrlizenz bei der BaFin eingereicht.
Ära Binance
Durch Zufall wurde er nach nur 7 Monaten bei dem Neo-Broker von einem Freund gefragt, ob er einen Wechsel zu Binance wagen würde. Er stimmte zu: Binance meldete sich bei ihm und er wechselte 2022 zu der größten Exchange der Welt. Seine Mission ist es, alle regulatorischen Anforderungen zu erfüllen, um aus Deutschland heraus operieren zu können und andere deutschsprachige Länder bei dem Aufbau/Einreichung von Unternehmen und Lizenzen zu unterstützen.
Eine große Hürde in diesem Prozess war es zu Beginn an die Banken- und Finanzmarktaufsicht (BaFin) heranzutreten. Das Verhältnis zum Regulator war zu Beginn seiner Tätigkeit nicht das beste.
Sein erstes Ziel war also, die Brücken zur BaFin wiederherzustellen und aufzuzeigen, dass sich Binance in Deutschland ohne Wenn und Aber den Regularien unterwerfen will. Dafür arbeitet sein Team, welches dieses Jahr kontinuierlich verstärkt werden soll, mit zwei namhaften Anwaltskanzleien zusammen.
“Ich will dieses Jahr 20 neue Mitarbeiter einstellen. Wir wollen hier wirklich Top-Leute nach Qualifikation und Erfahrung einstellen, die Binance im deutschsprachigen Raum zu besten Ergebnissen verhelfen.”
Dass Binance als Standort Frankfurt gewählt hat, sieht er im Zusammenhang mit Regulatorik als großen Vorteil. “Wir müssen vorerst unsere regulatorischen Hausaufgaben machen, bevor wir an uns wirklich ans Business stürzen”, erzählt uns Michael. Damit Binance für die Zukunft bestmöglich gewappnet ist, beabsichtigt sein Team die nationalen als auch europäischen Anforderungen zu erfüllen:
“Binance will allen regulatorischen Anforderungen in Deutschland gerecht werden und den Antrag für eine Lizenz bei der BaFin stellen. Wir wollen und werden uns zu 100 Prozent mit den deutschen Regularien und den Vorstellungen der Bundesbank und der BaFin unterwerfen. Das ist ein klares Ziel.”
Was hat uns zu diesem Krypto-Crash gebracht?
Wie funktioniert ein Markt? Was steckt dahinter? Wie kann ein Produkt exponentiell in die Höhe gehen? Laut Michael sollte sich jeder Investor diese Fragen stellen, bevor er in ein Produkt investiert. Er geht sogar noch viel weiter und zieht Parallelen zur Finanzkrise 2008. Hätten sich Investoren damals diese Fragen gestellt, wäre es wohl auch nie dazu gekommen. Offensichtlich spielt er hier auch zum Terra-Luna-Crash an.
Ein Dorn im Auge ist ihm auch die im Krypto-Space bekannte FOMO, die Fear of missing out.
“Was viele machen ist: Bitcoin heute gestiegen von 25.000 auf 27.000 – logische Schlussfolgerung: Der muss morgen weiter rauf auf 30.000. So funktioniert die Welt eben nicht!”
Der zweite wichtige Punkt ist, wir hatten durch Corona einen weiteren Preistreiber für Kryptowährungen, da die Leute genug Liquidität zur Verfügung hatten. Aber auch im Venture-Capital-Bereich wurde zu einfach mit Geld herumgeschmissen. “Hattest du eine halbwegs solide PowerPoint über ein Krypto oder Blockchain-Produkt beim Pitch, bekamst du 15 Millionen Euro einfach so vor die Füße geschmissen”, meint er. Da müssen sich Retail-Kunden als auch professionelle Investoren schuldig fühlen.
Es war zu viel nicht nachhaltig investiertes Geld im Markt.
“Jeder hat an das nächste Unicorn (Unternehmen mit über 1 Milliarde Bewertung) geglaubt, ohne wirklich hinter die Kulissen zu blicken. Die wenigsten haben ihre Due Dilligence gemacht. Make it big and sell it big.”
Durch die enorme Unsicherheit, die auf den Märkten zurzeit herrscht und auch, weil viele Investoren Gewinne mitgenommen haben, sei Krypto als logische Folge gecrasht.
Wie kann Krypto langfristig wachsen?
“Ganz ehrlich – die beste Maßnahme wäre, unser ganzes schulisches System einmal umzustellen und zu hinterfragen. Macht es mehr Sinn, dass ein Junge wie ich häkeln lernt oder etwas über die Blockchain? Manche Dinge, die immer noch an der Schule gelehrt werden, sind unglaublich.”
Das wars?
Nein, laut Michael müssen wir vor allem das Ökosystem ausbauen, was soviel heißt wie: Wir brauchen reale Anwendungsfälle für die Blockchain. “Wenn der Kredit für den Autokauf über die Blockchain abgewickelt wird und du dadurch deutlich weniger zahlst. Das ist ein Usecase!”
Auch Regulierung spielt einen Faktor, welcher nicht unterschätzt werden sollte. Denn: Unternehmen brauchen ein gewisses Regelwerk, indem sie sich bewegen und in welchem die Spielregeln für alle gleich sind.
Eines möchte Michael zum Schluss allen noch mitgeben:
“Ich war an diesem Punkt des Fast-Burnouts. Ich bin zweimal im Auto eingeschlafen und hatte Glück, dass das Auto einen Sensor hatte und selbst stehengeblieben ist. Daher rate ich jedem: Macht euch selbst nicht zu viel Stress. Nicht alle E-Mails müssen am selben Tag beantwortet werden und wenn man dann zu Hause ist, darf man das Handy auch mal ausschalten und Zeit mit der Familie verbringen.”
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