Auf der Fintech.li Conference 2022 trafen sich die klügsten Köpfe aus dem Fintech-Sektor. Wir nahmen das Event in Liechtenstein zum Anlass, um vier Experten auf den Zahn zu fühlen. Im Fokus standen die Fragen: Wie schließen wir in Zukunft die Brücke zwischen CeFi und DeFi? Inwiefern spielt das traditionelle Finanzwesen für die Entwicklungen dieser Bereiche eine Rolle?
So viel vorweg: Die Brücke zwischen dem traditionellen Finanzwesen (TradFi), zentralen Kryptoanwendungen (CeFi) und Decentralized Finance (DeFi) kann nur in einem sinnvollen Zusammenspiel geschlossen werden. Es bedarf wichtiger Instrumente aus allen Bereichen, um den Kryptosektor fit für die Zukunft zu machen.
Doch wir sprachen nicht nur über die Funktionen von TradFi, CeFi und DeFi in einem neuen Finanzsystem, sondern auch über mögliche Synergien, um Effizienz und Sicherheit zu erhöhen. Außerdem fragten wir nach, ob Regulierungen bei der Etablierung eines modernen und effizienten Finanzsystems Anschub geben oder ausbremsen.
Vorab bedanken wir uns vielmals bei den Experten für ihre Zeit und die aufschlussreichen Statements:
- Peter Grosskopf, seines Zeichens Mitbegründer der Solarisbank sowie damaliger CTO bei der Börse Stuttgart Digital Exchange. Nun startet Peter als Co-Founder und CTO des DeFi-Startups Unstoppable Finance durch. Sein großes Ziel: Die Krypto-Welt für jedermann auf das Smartphone zu bringen.
- Alexander Valtingojer, CEO und Co-Founder von Coinpanion. Alexander ist seit 2015 im Kryptospace unterwegs, entwickelte einen Bitcoin-Paypal-Marktplatz und verlor sich durch Mining-Tätigkeiten in seinem Studentenappartment im Rabbit Hole. Nach Einblicken in zahlreiche Start-ups gipfelte seine Leidenschaft 2020 im eigenen Unternehmen: Coinpanion ist ein europäischer digitaler Vermögensverwalter, der die Usability moderner Finanzen in die Web 3 Welt bringt.
- Alireza Siadat ist Partner der Kanzlei Annerton am Standort Frankfurt. Die Spezialgebiete des Rechtsanwalts sind u.a. Markteintrittsberatung, Compliance und Krypto-Regulierungen. In der Krypto-Szene ist Alireza für seine Offenheit und fachlich wertvolle Einschätzungen bekannt.
- Dr. Thomas Dünser ist Leiter der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation und Digitalisierung der Liechtensteinischen Landesverwaltung. Bei der Entwicklung und Umsetzung des Blockchain-Gesetzes nahm er die Leitungsfunktion ein. In dieser Funktion ebnete Thomas den Weg für einen umfassenden Rechtsrahmen, der Rechtssicherheit für Blockchain getriebene Innovation bietet. Ein wahrer Vorreiter also.
CeFi und DeFi sind im Zeitgeist junger Generationen angekommen
Trotz der angespannten Gesamtlage des Finanzsektors herrscht eine offenherzige Gesprächsatmosphäre auf der Fintech.li Konferenz. Angesichts großer Pleiten von CeFi-Plattformen wie Celsius im Jahr 2022 und zahlreicher Hacks im Oktober können wir uns die Frage zum Einstieg a Peter Großkopf nicht verkneifen: Wie kommt es zu diesen Unsicherheiten und gibt es Lösungen?
Um Angriffen [von DeFi] entgegenzuwirken sei es wichtig, Audits und Qualitätssicherung zu professionalisieren und zu standardisieren. Hier könnte man sich durchaus Inspiration aus traditionellen Vorschriften wie der BAIT holen. Langfristig können auch on-chain Circuit Breaker dabei helfen, wenn ein bestimmtes bösartiges Marktevent stattfindet, den Abfluss von Geldern zu verzögern, bevor alles in Grund und Boden stürzt.
Die Entwicklung solcher Sicherheitsmechanismen als “doppeltes Netz”, um Angriffen entgegenzuwirken, die Protokolle innerhalb von Sekunden leerpumpen, sieht Peter Grosskopf als wichtigen Faktor für die Etablierung von Krpto-Anwendungen.
Die Brücke zwischen TradFi, CeFi und DeFi schließt sich demzufolge, wenn die grundlegenden Sicherheitsmechanismen (TradFi) auf die dezentralen Protokolle (DeFi) projiziert werden. Außerdem sind funktionale Regulierungen für zentrale Kryptobörsen (CeFi) von großer Bedeutung. Auf diese Weise etablieren sich neue, effiziente und zeitgemäße Rahmenbedingungen für Finanzdienstleistungen. Diese gilt es in durchdachte Gesetze zu pressen. Hier sind die Regulatoren gefragt. Und das kostet Zeit! Dazu später mehr.
Wie die Nutzer CeFi und DeFi verwenden
Zuerst ist es wichtig zu verstehen, wie die Finanzanwendungen in der Praxis aussehen. Peter Grosskopf fasst es auf den Punkt zusammen: Die zentralisierten Exchanges des CeFi-Bereichs (CEXs) ermöglichen Nutzern Kryptohandel und Trading. Hier lautet das Geschäftsmodell “Trading”. Bei DeFi geht es um Finanzdienstleistungen. Also das, was traditionell Banken anbieten. Es geht um Kredite, Zinsen, Vermögensverwaltung und Handel über dezentrale Marktplätze.
Im Kern bietet DeFi alle Finanzdienstleistungen auf einer komplett neuen Infrastruktur: Der Blockchain! Diese ist global und für jeden zugänglich. Finanzdienstleistungen sind so zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte global einheitlich verfügbar. Blockchains wie Bitcoin oder Ethereum konnten bisher nicht von Hackern ausgehebelt werden. Hacks fanden im Wesentlichen an Blockchain-Bridges und fehlerhaft implementierten DeFi-Protokollen statt.
Nachdem die Titanic einen Eisberg gerammt hatte, hörte die zivile Schifffahrt nicht auf. Die Branche lernt mit jedem Hack dazu und wird langfristig Wege entwickeln, dass Hacks seltener vorkommen und weniger Schaden anrichten.
DeFi federt viele Probleme des traditionellen Finanzsystems ab
DeFi basiert auf Smart Contracts, also kleinen Softwareprogrammen, die auf der Blockchain laufen. Sie sind vollständig automatisiert. Da kein Mensch im Hintergrund den Prozess ausführt, wird er für jeden gleich ausgeführt und Manipulationen oder etwaiges kriminelles Verhalten von Menschen ist nicht möglich.
In den letzten Wochen erleben wir schmerzhaft, wie anfällig zentrale Systeme sind. Ob Lecks in Pipelines, die die Gasversorgung gefährden oder durchtrennte Kabel, die den gesamten Bahnverkehr lahmlegen. Zentralisierte Systeme sind anfällig für Angriffe. “Unser Finanzsystem hat auch seine Tücken, insbesondere wenn die Verschuldung aus dem Ruder läuft, Märkte fallen und die Wirtschaft schrumpft. Hier könnte es helfen, wenn wir noch ein zweites kryptobasiertes Finanzsystem etablieren. Auf zwei Beinen steht man sicherer.
Auch Alexander Valtinjoger weist auf die Vorteile von dezentralen Finanzstrukturen hin. Hauptproblem bislang: Andere Länder, andere Regulierungen und Umgangsweisen mit Finanzprodukten. Transaktionsprozesse schleichen voran. Digitale Abwicklung in Echtzeit – Fehlanzeige. Ganz anders im CeFi- und auch DeFi-Bereich. Vertrauenslose, schnelle Prozesse schaffen neue Standards. Das Technology-Layer Blockchain ist das Maß der Dinge in der Finanzwelt. Dezentralisierte Finanzprodukte lösen sich von alten Strukturen und bilden das neue “Baselayer”. Doch solange es zentrale Mächte gibt, sind auch die einzelnen Grundregeln einzuhalten: Geldinstitute müssen ihre Kunden kennen, Geldwäsche muss verhindert werden. Und da kommt CeFi ins Spiel – als “Rechtslayer” sozusagen.
Die Schwächen von TradFi, CeFi und DeFi erkennen
Jedes System weist individuelle Schwächen auf. Diese Erkenntnis geht über den Finanzsektor hinaus und ist nicht von der Hand zu weisen: Laut Alexander Valtingojer ist das traditionelle Finanzsystem schlichtweg ineffizient. Es ist langsam und veraltet.
Peter Großkopf fügt noch hinzu: Außerdem sind auch Fiat-Währungen nicht besonders stabil. Vergleichen wir die Preise für eine Kugel Eis zu Zeiten unserer Großeltern mit heutigen Preisen, wird dies deutlich, verbildlicht er. Weiterhin basiert das Finanzsystem auf einem riesigen, von Menschen zentral gesteuerten Kreditsystem. Die Volkswirtschaft wirkt unübersichtlich, fehlerbehaftet, willkürlich, unfair und unglaubwürdig. Die Gelddrucker laufen heiß, weil Staaten zur Kreditaufnahme incentiviert werden. Ein Kollaps ist da vorprogrammiert. Das ist inzwischen common sense.
Weiterhin ist aus Peters Sicht – in Anbetracht der CeFi Exchanges – die Anfälligkeit der Protokolle problematisch. Angreifer finden immer wieder Lücken in den Systemen. Außerdem sind die Strukturen, wie der Name schon sagt, zentral ausgerichtet. Wahre Dezentralität ist hier nicht Teil des Modells. Teilweise wird das Bankensystem lediglich digitalisiert. Das entspricht nicht dem ursprünglichen Anspruch von Kryptowährungen und Blockchain.
Außerdem, führt Alexander Valtingojer an, ist der Basiscode für die DeFi-Anwendungen oft schlecht. Es gibt keine regulierte Überprüfung und keinen Schutz für die Nutzer. Oftmals greifen die regulatorischen Maßnahmen erst, wenn der Zug bereits abgefahren ist. Durch den Verbraucherschutz sind die Nutzer verwöhnt. Eigenverantwortliche Recherche oder Zuhilfenahme von Expertenrat a´la “Do Your Own Research” (DYOR)? – Oftmals Fehlanzeige. Und so fallen viele “Investoren”, die den großen Geldregen riechen, auf das dafür notwendige Sinnesorgan. Damit sind wir beim nächsten Thema: Staatliche Regulierungen.
Regulierungen im Krypto-Bereich: Fluch oder Segen?
Niemand kommt um das Thema herum: Regulierungen im Kryptospace. Ob der grundlegende Umgang mit Krypto-Assets in EU-Staaten durch die “Markets in Crypto Assets” Regulierung (MiCAR). Oder Maßnahmen zur Identifikation krimineller Transaktionen und Geldwäsche durch die “Transfer of Funds Regulation” (TFR). Oftmals im Auge des Wirbelsturms: Die Pseudonymität der DeFi-Nutzer.
Hierzu interessiert uns vor allem die Expertenmeinung von Alireza: “Die MiCAR ist ein guter Anfang für eine einheitliche Regulierung im EU-Raum. Durch die Regelungen trennt sich die Spreu vom Weizen”, bekundet Alireza seinen Zuspruch zu den Ergebnissen der zwei Jahre andauernden Initiative.
Warnende Worte hingegen richtet der Rechtsanwalt an das Entscheidungsgremium rund um das Thema Geldwäschebekämpfung. Hier rät Alireza dringend von einem Schnellschuss ab. Die sogenannte Travel Rule käme zu früh und könnte sich hemmend auf den Markt auswirken. Darüber hinaus müssen Anleger im globalen Kontext diese Regelungen einhalten. Folglich reicht der Rattenschwanz der Entscheidungen über das europäische Festland hinaus. Daher gilt: Nicht zu schnell handeln und nicht zu stark regulieren. Im Vergleich zu den MiCA-Regulierungen ist die Travel Rule ein dickeres Brett. Daher bedarf es einiger Bedenk- und Entwicklungszeit.
Kann DeFi überhaupt staatlich reguliert werden?
Glücklicherweise bietet die illustre Runde unserer Gesprächspartner weitere praktische Erfahrungswerte zum Thema Regulierung. Mit seiner federführenden Rolle bezüglich des Blockchain Gesetzes des Fürstentums Liechtenstein qualifiziert sich Thomas Dünser als Insider. Er stellt fest:
“Eine Grundsatzinnovation ist oftmals nicht mit den geltenden Gesetzen kompatibel, da bei der Formulierung eines Gesetzes diese Technologie z.B. nicht bekannt war.“
In gewissen Fällen brauche es eine Anpassung der Gesetze und Verordnungen. Aber Thomas sieht in der Herausforderung auch große Chancen, insbesondere für kleine Staaten wie das Fürstentum Liechtenstein. Denn vor allem in übersichtlichen Staatsstrukturen setzen sich Innovations-Frameworks zügiger durch. Ein signifikanter Vorteil in einer sich immer schneller entwickelnden Welt. In diesem Zusammenhang sieht Thomas Dünser den Bereich Decentralized Finance als bedeutsamen Fixpunkt regulatorischer Vorstoße.
“DeFi ist eine konsequente Weiterentwicklung des Finanzsektors, die jedoch mit einer erheblichen technologischen und kulturellen Disruption verbunden ist. Es sind noch viele regulatorische Fragen offen, die es zu beantworten gilt”, so Thomas Dünser.
Insgesamt spiegeln die Bemühungen seitens der Staaten deutlich die Relevanz und das Potenzial des Krypto-Sektors wider. Da erklingen Alireza und Thomas wie im Kanon. Zum Thema DeFi holt Thomas Dünser zum Abschluss noch einmal aus:
“Aus Sicht des Staates ist DeFi auch deshalb interessant, weil dadurch einige Risiken des bestehenden Finanzsystems reduziert werden können. Es ist wichtig, unser Regulierungssystem für DeFi weiterzuentwickeln, damit sich die Innovationskraft innerhalb unseres Rechtssystems weiter entfalten kann und gleichzeitig die DeFi-spezifischen Risiken minimiert werden können.”
Das Beste aus TradFi, CeFi und DeFi vereinen
Peter Grosskopf sieht die Zukunft in einem hybriden System aus traditionellen und dezentralen Infrastrukturen. Insbesondere durch Fiatwährung gestützte Stablecoins bilden aus Peters Sicht eine schöne Brückentechnologie.
In einem denkbaren Konstrukt stellt sich Peter die Blockchain als Schicht für die Abwicklung von Finanztransaktionen über Smart Contracts vor. Darüberliegend bietet in seiner Vision ein autonomes, aber kompatibles Layer die Möglichkeit der Ausführung von Finanzdienstleistungen. Hier ist es möglich, altbekannte Instrumente auf Basis neuer Technologie zu verbessern.
Und auch Alexander Valtingojer sieht eine Kombination aus allen Bereichen als wahrscheinlichste Entwicklung: Die grundlegenden Vorschriften aus dem traditionellen Finanzwesen bleiben wohl bestehen. Die Technologie von dezentralen Finanzprotokollen bildet die ausführende Schicht. Um die Regeln des Rechtsstaates durchzusetzen, bieten CeFi-Plattformen Krypto-Dienste zentralisiert an. Eine geschickte und sinnvolle Kombination aus allen drei Bereichen wird die Zukunft darstellen. Doch wie die Brücke genau aussehen wird, steht in den Sternen.
Die Erkenntnis: Es geht nur zusammen
Wir sehen: Ob TradFi, CeFi oder DeFi – alle Bereiche haben ihre Daseinsberechtigung und verkörpern individuelle, wichtige Einflussfaktor für die weitere Entwicklung des Finanzwesens. Die grundlegenden Erkenntnisse aus den traditionellen Strukturen. Die Möglichkeiten der dezentralen Finanzstrukturen. Die zentralen Kryptobörsen als “regulatorischer und prozessualer Kompromiss”.
Es gilt, Schwächen zu erkennen und diesen sinnvoll entgegenzuwirken. Regulierungen drängen nach zeitgemäßen Anpassungen mit Sinn und Verstand. Zeitgemäß heißt auch: Offen sein für Neues und ethische Grundwerte als Ankerpunkte eines globalen Finanzmarktes zu definieren.
Wir können aus den Fehlern und Schwächen lernen, uns weiterentwickeln und uns aktiv an den Entwicklungen beteiligen. Denn letztlich liegt ein großer Teil der Macht in Hinsicht auf zukünftige Entwicklungen bei den Nutzern und Anwendern der Dienstleistungsangebote.
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