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Ein paar Fragen an den Cardano-Experten Dr. Lars Brünjes

8 min
Aktualisiert von Alexandra Kons
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IN KÜRZE

  • Es ist gar nicht so leicht zusammenzufassen, was Dr. Lars Brünjes eigentlich ausmacht.
  • Einblick in die Arbeite eines kryptografischen Mathematikers.
  • Und Eindrücke aus einer aufregenden Indienzeit.
  • promo

Dr. Lars Brünjes kennt sich mit Krypto bestens aus, und zwar vor allem mit Cardano. Ich hatte die Möglichkeit Lars ein paar Fragen zu stellen. Unter anderem zu seiner Zeit in Indien, zu Cardano, zu seiner Tätigkeit bei der IOHK und Haskell.
Lars Brünjes hat an der Universität Regensburg in reiner Mathematik promoviert. Danach forschte er mehrere Jahre an der Universität Cambridge in Großbritannien, verbrachte einige Zeit in Indien und arbeitet seit dem Jahr 2016 beim IOHK. Bei der IOHK geht es vor allem um die Erforschung der Blockchain.

Indien ist mindestens so vielfältig wie Haskell

Aber bevor wir in die Krypto-Welt von Lars eintauchen, wollte ich erst einmal wissen, wie es auf dem indischen Kontinent war. Lars erzählt mir:
Meine Zeit in Indien war für mich persönlich tatsächlich sehr prägend und bedeutsam. Indien ist eine unglaubliche Erfahrung! Die Farben, die Gerüche, die Landschaft, in der selbst das Grün ein anderes ist, Tiere auf den Straßen, LKWs, die auf der Überholspur parken, weil der Fahrer ein Nickerchen macht, die uralte Kultur, die Tempel und Schreine, die Geräusche, das niemals endende Gehupe, die schiere Masse von Menschen.
Indien nähert sich an die Kryptowährungen an.
Ein Bild von BeInCrypto.com
Und wer schon einmal in Indien war, weiß, dass das Land seine Besucher vor allem durch die vielen Kontraste fasziniert. Das ist auch Lars aufgefallen:
Die Widersprüche haben mich fasziniert: Unfassbare Armut in Slums in unmittelbarer Nähe von modernen Hotels und Shopping Centern. Von den Eltern arrangierte Ehen auf der einen Seite, Frauen in leitenden Positionen in viel stärkerem Maße, als wir das aus Deutschland kennen, auf der anderen Seite. Am tiefsten berührt haben mich die Menschen, ihre Fröhlichkeit, Lebensfreude und Sanftmut, ihre tiefe Religiosität, die nie aufdringlich oder missionarisch wirkte. Ihre Liebe zu Musik und Essen: Es war wirklich anrührend, wie meine Kollegen sich stundenlang und mit Inbrunst über die Vor- und Nachteil von verschiedenen Getreidesorten für diese Brotsorte oder jene unterhalten konnten, und ich war beeindruckt von der unglaublichen Zahl an Bollywood Songs, die anscheinend jeder aus dem Stehgreif zum besten geben konnte.

Aber Indien besteht natürlich nicht nur aus Bollywood-Songs und Getreidesorten

Aber selbstverständlich gab es auch kritische Aspekte, wie Lars mir zu berichten weiß:
Korruption ist ein großes Problem. Ich habe persönlich gesehen, wie Polizisten Schutzgeld bei Straßenhändlern eingetrieben haben. Die indische Gesellschaft ist strikt hierarchisch. Und es ist schwer für junge, talentierte Menschen, sich gegen die ältere Generation mit ihren eingefahrenen Gewohnheiten zu behaupten. Die allgegenwärtige Armut ist verstörend. Und trotzdem hat mich die stille Würde beeindruckt, mit der auch die ärmsten Inder und Inderinnen ihr Leben zu meistern scheinen. Nach meiner Zeit in Indien fiel es mir manchmal schwer, viel Verständnis für die alltäglichen Klagen und Nörgeleien aufzubringen, die man sich in Deutschland so anhören muss…

Es geht darum, die Welt ein Stück besser zu machen

Kommen wir zu Cardano, einer der interessantesten Kryptowährungen, die es momentan auf dem Markt gibt… Lars, was begeistert dich an der Kryptowährung Cardano?
Zunächst unsere Mission, den drei Milliarden Menschen auf der Welt Zugang zu Finanzdienstleistungen zu ermöglichen, die bisher davon ausgeschlossen sind. Es ist sehr erfüllend, für eine gute Sache zu arbeiten! Ich persönlich bin in der glücklichen Lage, hautnah dabei zu sein, wenn ich in meiner Rolle als “Education Director” junge Menschen in Entwicklungsländern wie Äthiopien oder der Mongolei unterrichte. Blockchain-Technologie ist so oder so faszinierend, aber alles gewinnt an Tiefe und Bedeutung, wenn es um so viel mehr als bloße technische Spielerei geht. Wenn es nicht darum geht, Spekulanten zu ihren Lamborghinis zu verhelfen, sondern darum, die Welt ein Stück besser zu machen.
Cardano ist auf der Überholspur.
Ein Bild von BeInCrypto.com
Für den Mathematiker und Forscher ist allerdings auch der wissenschaftliche Aspekt hinter Cardano von Bedeutung:
Ich liebe den Stellenwert, den Cardano der Wissenschaft einräumt: Alles, was wir tun, beruht auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert, auf angesehenen Konferenzen präsentiert und den in der Wissenschaft üblichen rigorosen “Peer Reviews” unterzogen wurden. Wir haben zur Zeit schon mehr als 60 wissenschaftliche Veröffentlichungen, und die Zahl nimmt stetig zu. Nicht zuletzt ist die Technologie, die bei Cardano zum Einsatz kommt, unglaublich. Wir bewegen uns an der vordersten Front der Forschung und setzen neue Maßstäbe auf dem Gebiet der Blockchain-Technologie. Und Blockchain-Technologie ist so vielfältig! Sie reicht von Konsens-Protokollen und Spieltheorie über digitale Wahlen und verifizierbare “Smart Contracts” (intelligente Verträge) zu neuen Netzwerk-Protokollen und “Post-Quantum”-Kryptographie.

Cardano, die IOHK und die nächsten Jahre

Dabei ist natürlich die Firma hinter Cardano, der dezentralisierten, öffentliche Proof-of-Stake Blockchain der dritten Generation, IOHK nicht weniger wichtig. ADA ist die Kryptowährung, die auf der Cardano Blockchain läuft. Lars erklärt mir:
IOHK ist die Firma, die Cardano entwickelt und implementiert hat. Cardano ist definitiv das bedeutendste Produkt von IOHK, aber bei weitem nicht das einzige. IOHK, geführt von Charles Hoskinson, ist eine weltweit verteilte Firma mit über 200 Mitarbeitern, die auf Blockchain-Technologie spezialisiert ist.
Außerdem wollte ich wissen, was der Krypto-Experte in den nächsten fünf Jahren eigentlich so vorhat:
In den kommenden Jahren, wenn Cardano beginnt, das Leben von mehr und mehr Menschen zu verbessern, hoffe ich, immer größere Teile der Bevölkerung mit unseren Kursen zu erreichen und dabei zu helfen, unsere Technologie zugänglicher und verständlicher zu machen.
Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass Lars seit geraumer Zeit weltweit unterwegs ist, um sein Wissen an andere kryptobegeisterte Menschen weiterzugeben. Und genau damit soll es in den kommenden Jahren auch verstärkt weitergehen:
Ganz persönlich hoffe ich aber auch, noch oft die Gelegenheit zu erhalten, Kurse in verschiedensten Teilen der Welt durchzuführen. Ich glaube fest daran, dass unsere Welt weniger Probleme hätte, wenn wir öfter über unseren Tellerrand hinausschauen und uns mit Menschen aus anderen Kulturen austauschen würden, um von ihnen zu lernen und unser Wissen mit ihnen zu teilen. Ich betrachte es als großes Privileg, dass ich die Gelegenheit hatte, jungen Menschen in Athen, auf Barbados und in Äthiopien unterrichten zu dürfen. Und ich freue mich auf viele ähnliche Erfahrungen in den nächsten Jahren.

Wo wir bereits beim Reisen sind: Haskell begleitete Lars schon rund um die Welt

Und deswegen wollte ich wissen, wie Haskell Lars auf seinen Reisen begleitet und welche Vorteile die Programmiersprache mit sich bringt. Er erläutert mir:
Haskell ist eine wunderschöne Sprache! Einfache und klare Syntax, ein mächtiges Typsystem und ein unglaublich hohes Abstraktionsniveau. Die Syntax kommt ohne all die geschweiften Klammern, Semikolons und aufgeblähten Wörter aus, die Code in anderen Sprachen so ausufern lassen. Ein Haskell-Programm ist oft um ein Vielfaches kürzer als ein äquivalentes Programm, das in einer anderen Programmiersprache geschrieben wurde. Das hat andere positive Effekte. Zum Beispiel ermöglicht es “eigenschaftsbasiertes Testen”. Bei dieser Art zu testen schreibt man nicht einzelne “Unittests” per Hand, sondern beschreibt Eigenschaften, die der zu testende Code haben soll. Wenn man solche Tests laufen lässt, werden automatisch Hunderte oder Tausende von Testfällen zufällig erzeugt und dann auf die gewünschte Eigenschaft überprüft. Es ist oft möglich, auf diese Weise Fehler zu finden, die man mit handgeschriebenen Tests nur schwer entdeckt hätte.
Aber Lars berichtet noch mehr über die Programmiersprache, die das Bindeglied zwischen Wissenschaft und Code zu sein scheint:
All diese Eigenschaften machen Haskell für unsere Zwecke ideal: Unsere Software regelt Transaktionen in Milliardenhöhe, und Korrektheit ist von extremer Bedeutung. Eine Blockchain ein höchst komplexes System, deren korrekte Implementierung enorm vereinfacht wird, wenn man auf einem solch hohen Abstraktionsniveau programmieren kann, wie Haskell es ermöglicht. Wir versuchen, eine möglichst lückenlose Kette zwischen wissenschaftlicher Veröffentlichung und tatsächlichem Code herzustellen. Und Haskell macht das wesentlich einfacher, weil der Schritt von Mathematik zu Haskell recht kurz ist.
Die Blockchain im Visier.
Ein Bild von BeInCrypto.com

Haskell kann sogar eine meditative Wirkung haben

Seit geraumer Zeit reist Lars mit seinem Wissen um die Welt, Haskell immer im Handgepäck:
Dann haben meine Haskell-Kenntnisse mir ermöglicht, kreuz und quer durch die Welt zu reisen, um vielversprechende junge Menschen in Haskell zu unterrichten. Ich habe zwei-monatige Haskell-Kurse in Athen, auf Barbados und Äthiopien durchgeführt. Dieses Jahr wäre die Mongolei an der Reihe gewesen, aber dieser Kurs wird nun leider wegen der Pandemie nur virtuell stattfinden. Jeder der Kurse war auf seine Weise eine einschneidende Erfahrung für mich. Am bewegendsten und erfüllendsten war wahrscheinlich der Kurs in Äthiopien, in dem ich 25 junge Frauen aus Äthiopien und Uganda unterrichten durfte. Es war ein schönes Gefühl, auf diese Weise etwas bewegen und die Welt ein Stückchen besser machen zu können.
Darüber hinaus erzählt mir Lars noch, warum Haskell für ihn persönlich von Bedeutung ist:
Darüber hinaus ist Haskell auch für mich persönlich sehr wichtig. Oft programmiere ich auch in meiner Freizeit in Haskell, um mich zu entspannen. Für mich hat Programmieren in Haskell eine beinahe meditative Qualität. Es ist schwer zu beschreiben, aber Haskell ermöglicht es mir, die virtuellen und abstrakten Strukturen, die ich vor meinem inneren Auge sehe, in der Form von Code zu realisieren. Als ob ich mathematische Skulpturen erschaffen würde…

Wie Mathematik und Cardano zusammenhängen

Ich möchte dann noch schnell wissen, wie die Mathematik ihn auf seine jetzige Arbeit vorbereitet hat. Lars berichtet mir:
Zunächst natürlich ganz direkt: Eine meiner Aufgaben bei IOHK war es, an der Entwicklung unseres Anreizsystems mitzuarbeiten. Dabei geht es darum, wie Nutzer von Cardano für ihre Beteiligung belohnt werden. Und es ist wichtig, die Anreize so zu setzen, dass sie in die richtige Richtung zeigen, dass also die Stabilität und Sicherheit des Systems erhöht wird, wenn alle den Anreizen folgen. Das ist etwas, was zum Beispiel bei Bitcoin nicht funktioniert. Dort sind die Anreize so, dass es finanziell lukrativ für Bitcoin-Miner ist, sich in immer größeren Mining-Pools zusammen zu schließen. Was dazu führt, dass inzwischen vier oder fünf große Pools eine Mehrheit besitzen. Nicht gerade, was man sich unter Dezentralisierung vorstellt! Bei Cardano haben wir das Anreiz-System von Grund auf so entwickelt, dass solche Konflikte zwischen finanziellen Interessen der Benutzer und Dezentralisierung gar nicht erst aufkommen. Dazu haben wir einen Haufen Mathematik verwendet – insbesondere Spieltheorie.

Lass uns über das Kontobuch im Himmel sprechen

Lars erklärt mir seine Sicht auf die Blockchain. Und vor allem, warum die Mathematik für das Verständnis der kryptischen Technologie so wichtig ist:
Außerdem ist es ganz allgemein so, dass Mathematik-Betreiben im Wesentlichen darin besteht, neue nützliche Abstraktionen zu finden und zu untersuchen. Diese Fähigkeit zum Abstrahieren ist auf vielen Gebieten äußerst nützlich, weil sie es erlaubt, den Kern einer Sache oder eines Problems vom Unwesentlichen zu trennen. Das macht es leichter, komplexe Systeme und Probleme zu verstehen und zu erklären, weil man sie auf das Wesentliche konzentrieren kann. Zum Beispiel ist für mich eine Blockchain einfach ein “Kontobuch im Himmel”. In dem man Einträge mit unauslöschlicher Tinte machen kann. Dieses einfache Bild ist für viele Zwecke vollkommen ausreichend. Details wie Hash-Verfahren und Kryptografie, Netzwerkprotokolle und Merkle-Trees, digitale Unterschriften und Peer-to-Peer Discovery sind nicht nötig, um das Wesen einer Blockchain zu verstehen. All diese Dinge sind wichtig, wenn man eine Blockchain implementieren will. Aber nicht, um zu verstehen, was sie ihrem Wesen nach ist und wozu sie gut ist – oder auch nicht. Diese Art zu denken habe ich von der Mathematik gelernt. Und sie hat sich in meinem Leben oft als sehr nützlich erwiesen.
Vielen Dank, Lars!
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Alexandra Kons
Alex hat ihren Bachelor in Orient- und Asienwissenschaften an der Friedrich-Wilhelms Universität Bonn absolviert, danach Deutsch als Fremdsprache am Goethe Institut studiert und ihren Master in Arabistik an der Freien Universität Berlin absolviert. Seit 2017 ist sie als Krypto-Journalistin tätig.
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