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Interview Teil 2: Pretyflaco über das Rabbit Hole, Hayek und den Bitcoin

7 min
Aktualisiert von Alexandra Kons
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IN KÜRZE

  • „Make war unaffordable“
  • Das „Bitcoin Awareness Game“.
  • Und noch tiefer ins Bitcoin-Rabbit Hole mit pretyflaco.
  • promo

Mit pretyflaco habe ich bereits über den Bitcoin, das Potenzial dieser digitalen Währung und die Chancen für einen gesellschaftlichen Umschwung gesprochen. Dabei ging es nicht nur um das berühmte Rabbit Hole und die österreichische Schule der Sozialökonomie, sondern auch um Bitcoin Street Art. Bei unserem zweiten Teil geht es vor allem um Bitcoin Deep Talk und das „Bitcoin Awareness Game“.

Der Bitcoin als Alternative: Deep Talk

Pretyflaco, wir haben letztes Mal über die Probleme gesprochen, denen die Menschheit aktuell in Bezug auf die Geldpolitik gegenübersteht. Du hast angeführt, dass der Bitcoin die Lösung des Problems sein könnte. Wie soll Bitcoin Abhilfe schaffen?
Bitcoin ist vorhersehbar mit einem Inflation-Schedule, der jedem bekannt ist. Egal, was kommt, dieser wird eingehalten. Das gibt Bitcoin eine gewisse Planungssicherheit für die Zukunft, predictability, und fördert Nachhaltigkeit.
Er führt an, dass in der aktuellen Gesellschaft kaum die Möglichkeit zur nachhaltigen Planung besteht, sondern der Fokus auf kurzgedachten Zyklen liegt:
Und das ist eines der größten Probleme unserer aktuellen Gesellschaft. Wir schieben die Probleme von der einen Generation auf die nächste Generation, das ist falsch gelagert. Auch Politiker sind nicht fähig, diese Probleme zu lösen und planen nicht über ihre eigene Amtszeit hinaus: Langfristige Lösungen sind kurzfristig unpopulär, zum Beispiel die Lösungen von Umweltprobleme.
Pretyflaco erklärt, dass Korruption das Problem in einigen Ländern verschlimmert und Politiker für kurzfristige Lösungsansätze incentiviert werden:
 Auf diese Art und Weise sind die „incentives not aligned“, so kann keine nachhaltige gesellschaftliche Politik stattfinden. Das könnte Bitcoin positiv beeinflussen.

 „Bitcoin Awareness Game“

Um noch ein wenig tiefer in den Gedanken „der Bitcoin als Lösung“ einzutauchen, möchte ich mehr über eines von pretyflacos Projekten erfahren. Du bist der Gründer vom „Bitcoin Awareness Game“, kannst du mir mehr darüber erzählen?
Das Bitcoin Awareness Game ist eine Idee, die die Bitcoin Sticker integriert. Bitcoiner reden sehr gerne über Bitcoin und glauben, dass Bitcoin zu Verbesserungen führt. Und das einzige, woran es scheitern könnte, ist die mangelnde Verbreitung. Je schneller mehr Leute über Bitcoin Bescheid wissen, desto schneller können sie eine bessere Entscheidung treffen, wie sie ihre Wertanlagen speichern möchten: etwa inflationsresistent, unkonfiszierbar und ohne ständigem Wertverlust.
Er erläutert, was die Basis der beliebten Kryptowährung ist:
Das ist Bitcoin, gepaart mit vielen technischen Vorteilen, wie die schnellen cross boarder transactions, die hohe Sicherheit, keine Mittelsmänner, keine versteckten Kosten und grenzüberschreitend. Man benötigt lediglich ein Smartphone dafür. Und Smartphones haben eine starke globale Verbreitung. Außerdem ist das Ganze permissionless, man muss also niemanden für die Nutzung des Geldes um Erlaubnis bitten.
Ferner führt pretyflaco an, dass dies ein großes Stück Freiheit bedeutet. Genau die Freiheit, für die es in der Gesellschaft momentan kaum ein Bewusstsein gibt:
Hier sei noch kurz gesagt, dass das Bewusstsein für Grundfreiheiten innerhalb der Gesellschaft stark abgenommen hat, werden doch auch aktuell allerlei zweifelhafte Einschränkungen hingenommen.
Zum „Bitcoin Awareness Game“ geht es hier entlang. Die Sticker findet ihr hier.

Guerilla Marketing

Wie genau funktioniert das „Bitcoin Awareness Game“?
Das Bitcoin Awareness Game macht sich eben dieses Informationsbedürfnis der Bitcoiner und den Wunsch Evangelist für Bitcoin zu sein, zunutze. Und gibt den Bitcoinern die Möglichkeit zur Bekanntheit des Bitcoins beizutragen, mit ganz einfachen Tricks. Da bedient man sich kosteneffizienten Taktiken, wie dem Guerilla Marketing.
Und was mich an „Bitcoin Awareness Game“ so fasziniert, ist nicht zuletzt die Einfachheit, mit der Interessierte einsteigen können.
Wir haben beim Bitcoin Awareness Game die Sticker mit 21 Slogans entworfen und die Stickersets sind Open Source. Jeder kann sich das PDF dazu herunterladen, die Sticker ausdrucken und in der Öffentlichkeit anbringen. Das ist dann Street Art auf elegante Art und Weise auf einer kleinen Fläche mit niedrigen Produktionskosten.
Welchen Effekt haben die Bitcoin Awareness Game-Sticker?
Wenn man einen Sticker gut anbringt, dann sehen ihn viele Leute. Und die Theorie ist eben, wenn 100 Leute so einen Sticker sehen, dass dann ein gewisser Prozentsatz aufmerksam wird und dann zum Beispiel recherchiert, was es mit „make war unaffordable“ auf sich hat. Wenn die Kosten für Krieg hoch genug sind, dann gibt es keinen Krieg und das ist etwas, was wir alle wollen. Neben solch einem Slogan ist auf dem Sticker das Bitcoin-Logo angebracht.
Pretyflaco führt weiter aus, dass auf die Frage „hä, wie soll das funktionieren?“ häufig der Reiz kommt sich näher mit der Finanzierung von Kriegen durch das Geldmonopol der Staaten zu informieren:
Dann wird einem klar: Ohne Geld in den Kriegskassen kann der Kriegsführende seine Söldner und Raketen nicht bezahlen. Wie machen wir es, dass kein Geld mehr in den Kriegskassen ist? Der Weg dahin ist Bitcoin.
Bitcoin: Und die Kriegskassen bleiben leer?
Wenn wir Bitcoin als Zahlungsmittel haben, dann wird es für die Staaten schwer, die Kriegskasse zu füllen. Und das ist eine elegante Herangehensweise, dieses Problem zu lösen. Entsprechend ist es ein berechtigter Slogan, der für Aufsehen sorgt und den ein oder anderen zu Bitcoin führt oder das System hinter den Kriegen begreifen lässt.

21 Millionen und 21 Slogans

Ich möchte mehr über die Slogans erfahren, die wir auf den Stickern zu sehen bekommen. Die Sticker wecken also die Neugierde in den Menschen auf ganz vielfältige Weise?
Die Sticker sollen, so ist unser Wunsch, die Neugierde wecken und auf Bitcoin auf charmante Art und Weise aufmerksam machen, mit einem Zwinkern.  Geld betrifft uns ja irgendwie alle und kaum wird die Frage gestellt, was das ist, das wir da täglich nutzen, und ob es uns auch wirklich nützt. Könnte es uns denn nicht besser nützen?
Um den Bitcoin zu verstehen, muss man zunächst einmal verstehen, was Geld eigentlich ist.
Die Frage „was ist eigentlich Geld“ sollte man sich gestellt haben. Hat man das getan und für sich beantwortet, ist es auch viel einfacher nachzuvollziehen, warum Bitcoin Geld ist und warum es das beste Geld ist. Das, was ich hier beschreibe, ist auch eine Einstiegsmöglichkeit in Bitcoin. Es gibt so viele Einstiege, wie es Menschen gibt. Manche Einstiege eignen sich für viele Menschen – die habe ich versucht in Slogans unterzubringen.
Er erklärt mir, dass die Slogans eine gewisse Vorkenntnis oder eine gewisse Leidenschaft voraussetzen:
Unstrittig ist es zum Beispiel, dass Anarcho-Kapitalisten oder Libertäre eine Affinität zu Bitcoin haben und einfacher ein Verständnis für Bitcoin aufbauen können.  Aber es gibt auch Rabbit Hole-Entries für alle anderen Menschen. Die Technik-Begeisterten, die Kunst-Begeisterten, die Gerechtigkeit-Begeisterten, die Sparer, die Micro-Transaktion-Interessieren. Es gibt für jeden das geeignete Rabbit Hole oder Use Case, wo Bitcoin das Leben optimiert und somit effizienter und sicherer gestaltet.

Die Bitcoin-Community ist bunt

Wie pretyflaco schon angesprochen hat, ist die Bitcoin-Community und ihre Annäherung an den Bitcoin bunt. Wie machen sich die unterschiedlichen Sticker bei den Nutzern?
Die Herangehensweise war 21 Slogans zu entwerfen, die ein großes Spektrum an möglichen Bitcoinern ansprechen. Der nächste Schritt war dann die Frage „wie sage ich es in ihrer Sprache“, um ihr Interesse zu wecken? Da hat mein Marketing-Background mir geholfen, die richtigen Fragen zu stellen und Antworten zu geben. Bislang haben die Sticker alle sehr großen Zuspruch, manche mehr, manche weniger, manche in einigen Regionen mehr, manche in anderen.
Pretyflaco erzählt, dass die anarcho-kapitalistischen Sticker in Brasilien besonders beliebt sind.
In Deutschland sind es die Weltschmerz-Slogans wie „fix the money, fix the world“, „can’t be racist“. Aber auch der Sparer-Slogan „saving technology“ ist hierzulande gefragt. So hat jeder seinen Sticker und kann sich aussuchen, was Bitcoin für ihn ist und sich ihn auf die Straße kleben. Und es macht Laune, wenn man daran vorbeiläuft und der Sticker ist immer noch da. So ein bisschen seine Hood verschönern und Peer-to-Peer Communication offline zu machen, ganz zensurresistent.
Wie nachhaltig ist das Sticker-Projekt?
Natürlich kann man diese Sticker alle abreißen, aber man kann mehr aufkleben als man abreißen kann. Viele von den Stickern sehe ich auch hier in München nach wie vor, die halten sich ganz gut. Auf einem Bild sieht man eine Ecke in Sao Paulo, im Hintergrund Informationen über die Landesverschuldung und im Vordergrund einen „Inflation ist Diebstahl“-Sticker. Es macht Laune und es gibt anderen Bitcoinern auch Zuversicht, wenn sie das auf Twitter sehen.

Bitcoin United

Für die Bitcoiner bedeutet dies Zusammengehörigkeit und auch ein Stück Sicherheit, nicht wahr?
Ja, das unterstützt ihre logische Entscheidung und gibt ihnen Sicherheit. Sie sehen dann, „ich bin nicht verrückt, wir sind mehr“. Bitcoin zu halten, kann ganz schön beanspruchend sein. Vor allem, wenn man von seinem Umfeld belächelt wird. Oder wenn man Bitcoin-Neuling ist, nicht versteht, wie Märkte funktionieren und in den Mainstream Medien überwiegend negative Nachrichten liest, etwa nach einem großen Preissturz. Das ist einfältige Berichterstattung. Ich habe manchmal das Gefühl, dass das mutwillig ist. Das ist dann auch etwas gewesen, was mich in der Vergangenheit geärgert hat.
Wie finanziert sich das „Bitcoin Awareness Game“?
Die Fotografen vom „Bitcoin Awareness Game“ wurden mit einem Bitcoin Payout mit bis zu 615 Satoshi belohnt. Mittlerweile wurden über 1,5 Millionen Satoshis ausgeschüttet. Das Projekt beruht auf Crowdfunding. Bitcoiner haben weltweit via Lightning Network, aber auch über Onchain-Transaktionen etwas in den Topf geschmissen. Das war ein Kickstarter für Bitcoin Street Art. Der aktuelle Spendentopf neigt sich jetzt auch dem Ende zu.
Aber das Projekt ist damit nicht am Ende, sondern beginnt grade erst!
Das Schöne ist, Bitcoiner auf der ganzen Welt wissen jetzt, wie man das macht und nun werden auch Sticker von anderen Designern entworfen, die auf den Straßen der Welt angebracht werden. Wieder andere Menschen malen Graffitis, Bitcoin Street Art ist ein weites Feld. Es macht Spaß, jeden Tag Fotos aus aller Welt zu sehen. Man sieht die Welt aus den Augen anderer Menschen, das ist spannend, insbesondere in so einem ereignisreichen Jahr mit Ausgangssperren wie 2020. Auf manchen Bildern sieht man Menschen mit Masken im Hintergrund, anderenorts nicht.
  Vielen Dank, pretyflaco.    
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Alexandra Kons
Alex hat ihren Bachelor in Orient- und Asienwissenschaften an der Friedrich-Wilhelms Universität Bonn absolviert, danach Deutsch als Fremdsprache am Goethe Institut studiert und ihren Master in Arabistik an der Freien Universität Berlin absolviert. Seit 2017 ist sie als Krypto-Journalistin tätig.
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