John deVadoss kennt das Web 2 wie seine Westentasche. Fast zwei Jahrzehnte verbrachte er allein bei Microsoft in leitender Position. Sein Wechsel in den Krypto-Space ist sehr beachtlich – denn hier sieht John eine Möglichkeit für die Gesllschaft, um zu wachsen. Was er vom Web 3 erwartet und was ihn motiviert, hat John uns im Interview verraten.
Auf die Frage, was der Unterschied zwischen Web 2 und Web 3 ist, gibt es zahlreiche Meinungen. Doch wenn jemand eine fundierte Antwort geben kann, dann ist es John deVadoss. Denn er ist eine Koryphäe, sowohl im Web 2- als auch im Web 3-Space.
In leitender Position führte er Microsoft in Richtung der Cloud-Computing-Plattform Azure. Fast zwei Jahrzehnte baute John als General Manager bei Microsoft Riesenprojekte wie Visual Studio Tools oder Microsoft Digital auf. Dann packte ihn das Blockchain Fieber.
Und so leitet John heute die Entwicklungstätigkeiten bei Neo, einer Open-Source Blockchain Entwicklungsplattform. Darüberhinaus bekleidet er einen Vorstandsposten des Global Blockchain Business Councils (GBBC) und der IEEE Blockchain.
Was ist das Web 3 eigentlich?
Und so wollten wir von ihm wissen, wie er Web 2 und Web 3 voneinander abgrenzt und was aus seiner Sicht eigentlich die Grundlage des Web 3 ist.
Zuerst stellt John deVadoss klar, dass das Web 3 auf keinen Fall die Weiterentwicklung des Web 2 darstellen sollte. Denn das Web 2 strebe nach Kapital und Zentralisierung von Macht, was dem Geist von Web 3 widerstrebt. Beim Web 3 ginge es vielmehr um Balance und Selbstbestimmung, statt um zentrale Datensilos oder Autorität durch Milliardengewinne.
Allein deshalb gefällt John der Begriff “Web 3” nicht besonders gut – weil die begriffliche Nähe zum Web 2 eine Art Weiterentwicklung dessen impliziert.
Und genau diese “Weiterentwicklung” der schlechten Eigenschaften des Web gilt es entgegenzutreten.
Den Ursprung des Web 3-Begriffes sieht John im VC-Geschäft. Weil Venture-Capital Firmen sowohl Regulatoren als auch Kunden ansprechen müssen, suchen diese leicht verständliche und dennoch eindrucksvolle Ausdrücke. Da erscheint das Web 3 als nächste Generation des world wide web attraktiv.
Laut John ist das Web 3 im Kern als “fancy” Bezeichnung zu beschreiben, aus dem VCs ihren Profit ziehen.
Niemand möchte, dass das Web 2 auch noch Blockchain Technologie und Kryptodienste für sich nutzt und weiter zentralisiert Daten sammelt und monetarisiert. Vielmehr bleibt zu hoffen, dass das Web 3 “anders” wird.
Die Blockchain muss sich von den Ketten des Web 2 lösen
Auch deshalb wäre eine Neubezeichnung richtig. Das, was wir bislang sehen, ist aus der Sicht Johns keine Loslösung zentraler Macht. Beispielsweise können sich Instanzen immer noch durch Geld Voting-Power in einem System wie Ethereum erkaufen. Außerdem dreht sich die Entscheidungsgrundlage bei Abstimmungen immer noch um “zensierte” Vorschläge seitens der Core-Entwickler.
Das eigentliche gesellschaftliche und soziale Ziel sieht John in der Selbstsouveränität. Denn Selbstbestimmung und die eigene Entscheidungsfähigkeit werden im Web 2 untergraben. Besonders eindrucksvoll zeigt dies der Umgang mit den Daten der Nutzer. Diesbezüglich hat das Web 2 den Respekt vor dem Einzelnen verloren.
Die Tech- und Social Media-Riesen sammeln Daten und monetarisieren diese ohne Rücksicht auf Privatsphäre der Nutzer. Hier fehlt es an Wahlmöglichkeiten. Geht es nach John, müssen Dienstleister ihren Nutzern eine Wahl bieten, wer welche Daten wie lange einsehen darf. Und die Monetarisierung sollte entsprechend aufgeteilt werden.
Aber kann ein “Web 3” das bieten?
John nennt auf diese Frage das Stichwort “Tokenisierung”. Fest steht: Die eigenen Daten sollen im Web 3 endlich in die Hände der Nutzer gelangen. Dank einer Tokenisierung der Nutzerdaten könnte die Privatisierung der eigenen Daten gelingen. Ein System, in dem der Mensch seine Daten selbst verwalten und freigeben kann, hebelt die Macht der “Datenkraken” aus.
In Zeiten des Web 2 haben die großen Tech-Player die Daten tokenisiert und vertrieben. Solange solche Player am Markt sind, könne sich ein Web 3 nicht als solches bezeichnen. Die Entscheidungsmacht über die Verwendung eigener Daten und damit eine selbst definierte Privatsphäre ist für John die Grundlage eines fairen www´s.
Als gefährlich stuft John das Verhalten vor allem junger Menschen ein. Denn diese scheinen die Verwendung ihrer Bewegungsmuster, privaten Chats oder Anrufhistorie als normal zu empfinden.
“Ich mache ja nichts Illegales oder schlimmmes”, ist der Tonus. Hier fehle das Verständnis für den Wert der Privatdaten und die Möglichkeiten der Algorithmen und Technologien, die diese Daten auswerten.
“Die Entscheidung, was mit deinen privaten Daten passiert, ist ein Grundstein der Selbstsouveränität.”
Ist Dezentralisierung der heilige Gral?
Dezentralisierung sieht John als Symptom der Selbstbestimmung, da sich kein Daten- oder Machtzentrum ausbilden kann, solange jedes Individuum selbstbestimmt lebt. Demnach ist Dezentralisierung ein positiver Seiteneffekt, eine Folge der Selbstsouveränität. Und somit auch nicht mehr als ein Begriff, der das eigentliche Ziel verschleiert.
“Du bist nicht dezentralisiert, wenn du es nicht auf das Individuum runterbrichst. Staking ist nicht dezentralisiert. Dezentralität ist ein Nebeneffekt. Am Anfang steht die Selbstbestimmung. Die ist es, die wir wirklich wollen.”
Möglicherweise gibt es einen besseren Weg, als dezentrale Systeme, um global individuelle Selbstsouveränität zu erreichen. Die Blockchain Technologie zum Beispiel ist eine ökonomische Plattform. Doch darüber hinaus dürfen wir Werte wie Altruismus, Gemeinschaft und Zusammenhalt nicht aus den Augen verlieren.
“Wir brauchen sozialökonomische Plattformen. Eine Welt voller ökonomisch handelnder Maschinen sähe sehr traurig aus“, so John. Aber nichtsdestotrotz ist der Aufbau dezentralisierter Organisationen laut John ein Schritt in die richtige Richtung und ein wichtiges Zeichen.
Worum sollte es in einer neuen Ära des Web gehen?
“Im Grunde genommen”, so John, “sind wir gemeinsam am stärksten.” Deshalb sollten wir gemeinsam etwas entwickeln und die hierfür beste Organisationsstruktur schaffen. Wenn Systeme zu groß werden, leiden Übersicht, Verantwortlichkeiten und Produktivität.
Regulatorische Richtlinien und Zensur schaffen Ordnung. Doch diese Angelegenheiten finden eher auf Konversationsebene in den Regierungen statt. Darüber steht immer noch die Privatsphäre.
Wir zahlen Steuern und halten uns an die Spielregeln des Systems. Aber die Privatsphäre sollte davon getrennt sein und in den Händen des Einzelnen liegen. Darum sollte es uns als Gemeinschaft bei der Weiterentwicklung des Web gehen.
Dabei gilt zu beachten: Keine Technologie kann als Allheilmittel eingesetzt werden. Ob der Einsatz einer Technologie sinnvoll ist, hängt von den individuellen Umständen ab. Aber jede neue Auswahlmöglichkeit sorgt für ein ausdifferenzierteres Technologie-Portfolio für die Lösung bestimmter Probleme.
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