Auch im Krypto-Bereich sind Betrüger unterwegs, daher ist es sinnvoll über Cyberkriminalität in Bezug auf Investmentbetrug aufzuklären. Dazu sprach BeInCrypto mit Frans Roest, einem niederländischen Scam-Forscher, der zusammen mit Walter Leonhardt, Open-Source-Forscher, zwei Bücher über das Thema Investitionsbetrug, ein Paper über Betrug mit binären Optionen und mehrere Artikel geschrieben hat.
Jüngste Berichte zeigen, dass (Top-) Betrüger, die sich in den letzten 10 Jahren unantastbar gefühlt haben, dennoch verhaftet und verurteilt werden können. Grund für die Verurteilung sind Betrug von Privatinvestoren, Geldwäsche und der Verstoß gegen bestimmte Finanzgesetze. In den letzten Jahren gab es in den USA – und kürzlich auch in Österreich – dahingehende Verurteilungen. In diesem Zusammenhang wurden die Drahtzieher hinter mehreren betrügerischen Internetplattformen für binäre Optionen und Forex zu vier Jahren Gefängnis und Schadensersatz verurteilt.
Boiler Rooms: Wie Betrug früher aussah
Frans Roest erklärt, was in Bezug auf Scams in der Vergangenheit passiert ist. Zunächst erläutert Roest, warum die Chance als Mitarbeiter eines Boiler Rooms erwischt zu werden in der Vergangenheit so gering war:
„Ab den 1980er Jahren wurden private Investoren hauptsächlich telefonisch betrogen. Durch professionelle Call-Center, auch „Boiler Rooms“ genannt, wurden private potenzielle Investoren mit „Cold Call“-Techniken angesprochen. Diese sollten hauptsächlich Pennystock- und Start-up-Unternehmen kaufen, bei denen es Chancen auf große Gewinne geben sollte. Diese vorgetäuschten Gewinne wurden jedoch nie ausgezahlt. Und die Call-Center verschwanden über Nacht, sodass Investoren zurückblieben, die nicht nur Gewinne, sondern auch ihre gesamte Investition verloren.“
Roest führt weiter aus, dass die Ermittlungen auch vom Eingang der Anzahl an Anzeigen abhängt.
„Die Ermittlungen endeten jedoch oft abrupt: Die von den Betrügern verwendeten Telefonnummern wurden nicht mehr gefunden. Und auch die Websites wurden geschlossen, die Call-Center-Mitarbeiter verwendeten falsche Namen und das Bankkonto im Ausland war verschwunden. Darüber hinaus mussten solche internationalen Betrugsermittlungen immer durch internationale Instanzen durchgeführt werden. Ferner musste das Ermittlungsteam meist lange warten, bevor es Antworten aus dem Ausland erhielt. Der gesamte Prozess war zeitaufwändig und anstrengend.“
Des Weiteren erklärt der Forscher, dass es auch einen Mangel an Kapazitäten auf der Strafverfolgungsseite gab:
„Und aufgrund der strengen Priorisierung war es sehr oft nicht mehr möglich, diese Art von Betrug zu untersuchen. Weitere Informationen zu dieser traditionellen Form des Investitionsbetrug und Boiler Rooms findet ihr in meinem E-Book „Share Fraud & Boiler Room Scams Exposed“.
Die Digitalisierung verändert Kriminalität
Roest führt aus, dass das Aufkommen des Internets auch die Aktivität krimineller Organisationen verändert hat:
„Mehrere Untersuchungen zeigen, dass Boiler Room-Organisationen mehrere Websites haben und auch regelmäßig ihre Namen ändern, um eine Wiedererkennung zu vermeiden.“
Der Forscher erklärt, dass eine Taktik der Boiler Room-Organisationen ist potenzielle Investoren aus anderen Ländern anzusprechen. So werden die örtliche Polizei und die Aufsichtsbehörden im „eigenen Land“ nicht mit Beschwerden konfrontiert. In Bezug auf die Entwicklung des Online-Investitionsbetrugs erklärt Roest:
„Untersuchungen haben gezeigt, dass es eine starke Verbindung zwischen der Online-Glücksspielbranche und der betrügerischen Online-Investmentbranche gibt, mit der Einwohner wohlhabenderer Länder in den letzten acht Jahren konfrontiert wurden. Die Hauptstützen der Online-Glücksspielbranche – Forex-, CDF- und binäre Optionsprodukte – lassen sich auf israelische Unternehmen in Tel Aviv zurückführen. In der Vergangenheit arbeiteten dort mehr als 10.000 Menschen für Call-Center. Diese waren auf den Handel mit binären Optionen spezialisiert.“
Roest erläutert, dass Israel aufgrund des internationalen Publikums der perfekte Ort ist:
„Es gab auch eine hohe Arbeitslosenquote, sodass die Menschen zwischen Orangen pflücken oder Boiler Rooms wählen mussten. Aber Dank Whistleblowern, der internationalen Presse und der mutigen Arbeit einer lokalen Journalistin, Simone Weinglass von „The Times of Israel“, reagierten die israelischen Behörden schließlich im Jahr 2016. Der Knesset ergriff Maßnahmen, um „die Welle von Plünderungen, Diebstahl, Betrug, Geldwäsche und Kriminalität“ auf internationaler Ebene zu stoppen.“
Entsprechend wurde Israel zu einem der ersten Länder, das den Handel mit binären Optionen im Oktober 2017 vollständig verboten hat.
„Dies führte dazu, dass Trader von Sportwetten-, Forex- und binärem Optionen aus Israel in Länder wie Zypern flüchteten, wo sie sich offiziell bei der Finanzaufsichtsbehörde registrierten (CySec). In Wirklichkeit laufen die operativen Strukturen (Call-Center, Backoffices und Infrastruktur) in Bulgarien, der Ukraine und Asien, von wo aus westeuropäische Einwohner nach wie vor „angegriffen“ werden.“
Die Unwissenheit wird zum Verhängnis
Warum werden viele Online-Plattformen für binäre Optionen und Forex-Handel als Betrug angesehen?
Roest: „Der Handel mit binären Optionen, CDFs und Forex ist für große Akteure der Finanzbranche und professionelle Anleger legitim. Das heißt, wenn Sie so etwas tun, müssen Sie erfahren sein und sich der Risiken bewusst sein. Was Kriminelle jedoch tun, ist, meist unerfahrene Verbraucher über Cold Calls oder unter Bezugnahme auf professionell aussehende Broker-Websites anzusprechen. In jüngerer Zeit nutzen kriminelle Organisationen aggressive Verkaufstaktiken über Telefon- und Internetplattformen, um Investoren zu überzeugen. Und diese Produkte sind keine „sicheren Wetten“, sondern sehr riskant. Schlimmer noch, viele Menschen geben Betrügern die Kontrolle über ihre Computer, ihr Vermögen und ihr Konto und lassen die Betrüger in ihrem Namen investieren. Das einzige, was Betrüger maximieren wollen, ist ihr eigener Gewinn, indem sie massive Transaktionsgebühren usw. verursachen.“
Des Weiteren erklärt Roest, dass in Bezug auf Betrug über Internetplattformen, auf denen binäre Optionen und CFDs sowie Forex-Anlageoptionen aggressiv angeboten werden, die Forschung zeigt, dass das Ertragsmodell auch darauf abzielt, das investierte Geld nicht zurückzuzahlen.
„Bereits 2013 beschwert sich die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC über Missbrauch und Betrug auf Plattformen für binäre Optionen. “
Laut Roest gehörten zu diesen Missbräuchen die Beteiligung an Identitätsbetrug. Aber eben auch die Softwaremanipulation zum Nutzen des Brokers und die fehlende Auszahlung von Einzahlungen und Gewinnen.
Betrügerische Einnahmemodelle
Ein ganz ähnliches Vorgehen konnten wir bei der UI-Group beobachten. BeInCrypto berichtete bereits ausführlich über den Scam: Robert* ist in seinem besten Alter und schaute sich auf einer Dating-App nach einer netten Begleitung um. Doch der nette Kontakt, den Robert dabei kennenlernte, stellte sich sehr schnell als Flop und Grund für einen finanziellen Verlust in sechsstelliger Höhe heraus.
Wie viele andere Geschädigte wurde auch Robert von den angeblichen „Profi-Tradern“ der UI-Group zu einem hohen Investment überredet.
Roest: „Seit 2016 wurde immer deutlicher, dass das Geschäftsmodell dieser Art von Anlageplattformen darauf abzielte, weniger wissende Privatanleger zu betrügen. Sowohl in zivil- als auch in strafrechtlichen Verurteilungen wurde gezeigt, dass bestimmte Internetplattformen und Websites ein betrügerisches Einnahmemodell aufwiesen. Zum Beispiel beurteilte ein israelischer Richter im Jahr 2020 in einem Zivilverfahren, das von einer begrenzten Anzahl privater Investoren gegen die israelische Online-Website www.B4Binary.com eingereicht wurde, das Verdienstmodell als strukturellen Betrug und gewährte den Opfern insgesamt 600.000 US-Dollar Schadenersatz.“
Richter Ron Sokol schrieb in seinem Urteil:
„Ich bin überzeugt, dass die gesamte Tätigkeit des Beklagten bei der Gründung der Unternehmen und der Strukturierung der Geschäfte darauf abzielte, die Anleger zu täuschen. […] Ich bin mir sicher, dass das Verhalten des Beklagten alle grundlegenden Kriterien des Betrugs erfüllt.“
In Teil II des Interviews berichtet Frans Roest, wie typischer Online-Betrug heute aussieht und wie Betroffene vorgehen können.
Haftungsausschluss
In Übereinstimmung mit den Richtlinien des Trust Project gibt dieser Meinungsartikel die Perspektive des Autors wieder und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten von BeInCrypto wider. BeInCrypto bleibt einer transparenten Berichterstattung und der Einhaltung höchster journalistischer Standards verpflichtet. Den Lesern wird empfohlen, die Informationen unabhängig zu überprüfen und einen Fachmann zu konsultieren, bevor sie auf der Grundlage dieses Inhalts Entscheidungen treffen.