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Titus Gebel im Interview über freie Privatstädte: „Was ihr innerhalb dieses Systems macht, ist euch überlassen“

7 min
Aktualisiert von Alexandra Kons
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IN KÜRZE

  • „Es gibt vor allem zwei Gruppen in der Gesellschaft, die Interesse an Freien Privatstädten haben: Es sind die Libertären und es sind die Krypto-Leute.“
  • „Bitcoin ist eine Chance, weil es uns von Banken und anderen Legacy-Systemen abkoppelt.“
  • „Momentan arbeiten wir am Aufbau einer E-Governance, einer elektronischen Verwaltung auf der Blockchain. Der Vorteil ist hier die Privatsphäre.“
  • promo

Titus Gebel ist ein deutscher Unternehmer, Rechtsanwalt, Autor und politischer Aktivist. Er ist ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Rohstoff AG und war Geschäftsführer der Rhein Petroleum GmbH. Seitdem Titus Gebel aus der Deutschen Rohstoff AG ausgetreten ist, widmet er sich vor allem Aufbau freier Privatstädte. In seinem Buch „Freie Privatstädte: Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt“ gibt es Einblicke in diese spannende Thematik.

In Bezug auf die freien Privatstädte hat Titus Gebel ein Unternehmen, Tipolis, mit dem Leitspruch „The next evolution in special economic zones“ gegründet. Bei den freien Privatstädten geht es um den Schutz des Lebens, der Freiheit und des Eigentums. Allerdings nicht durch einen klassischen Staatsapparat, sondern durch ein Unternehmen als Dienstleistung. Dafür zahlen die Bewohner der freien Privatstädte einen vertraglich festgelegten Jahresbeitrag und erhalten dafür Sicherheits- und Rettungsdienste, eine unabhängige Streitschlichtung und einen regulatorischen Rahmen. Sollte das Unternehmen die Dienstleistungen nicht wie vertraglich vereinbart ausführen, haben die Bewohner Anspruch auf Schadensersatz.

Von Leistungsempfängern und Leistungserbringern

Titus Gebel erzählt, welche grundlegenden Entwicklungen ihn auf die Idee für den Aufbau freier Privatstädte gebracht haben:

„Der Staat ködert die Leute und verspricht ihnen eine Wohnung, eine Arbeit, soziale Sicherung, das schreiben wir alles in die Verfassung. Aber das muss finanziert werden und das Geld muss irgendwem weggenommen werden. Das wird so natürlich nicht kommuniziert. Im Laufe der Zeit gibt es dann immer mehr Leistungsempfänger und immer weniger Leistungserbringer. Und die neuste Idee mit dem bedingungslosen Grundeinkommen ist die Spitze einer langen Entwicklung, die schon vor 150 Jahren mit dem Sozialstaat angefangen hat.“

Er erklärt, dass es zwei Möglichkeiten gibt: Dies zu akzeptieren oder Alternativen zu suchen, weil das System, in dem immer weniger Leute einzahlen und immer mehr Leute nehmen, irgendwann kollabieren wird.

„Zuerst habe ich versucht die Menschen mit Vernunftargumenten zu überzeugen. Wer liberale, freiheitliche, libertäre, freisinnige Systeme vertritt, der erkennt, dass er für seine eigenen Handlungen verantwortlich ist. Wenn du nicht erfolgreich bist, kannst du nicht die Gesellschaft dafür in Haftung nehmen. Wohingegen das bestehende System Haftung durch die Gesellschaft verspricht. Das ist natürlich viel attraktiver, viele Menschen haben Existenzangst. Aber das System „Menschenrecht auf alles“ geht einfach nicht gut, weil immer eine Gruppe die Leistung erbringen muss. Und die werden dann notfalls zur Arbeit gezwungen, das ist auch die Quintessenz des bedingungslosen Grundeinkommens.

Ich bin einer der Zahlenden, aber was machen Sie denn, wenn ich Ihnen Ihr bedingungsloses Grundeinkommen nicht mehr zahlen möchte? Daran haben die meisten noch nie gedacht, es wird ja bewusst so auch nicht kommuniziert. Aber letztlich ist es Sklaverei, wenn ich Leute zwinge gegen deren Willen für mich zu arbeiten. Egal, wie man das verkauft. Jetzt kann man sagen, dass die Mehrheit das so entschieden hat und man diese Entscheidung akzeptieren muss. Das ist richtig, aber es geht trotzdem nicht gut.“

Die Idee der freien Privatstädte

Für Titus Gebel war das Fazit dann sich gänzlich aus der politischen Ebene zurückzuziehen und stattdessen ein Produkt anzubieten – die freien Privatstädte:

„Ich sehe unsere politischen Systeme auch als Markt. Wem mein Produkt gefällt, der kommt. Ich möchte niemanden mehr überzeugen, ich sage einfach, hier ist mein Produkt: Die Freie Privatstadt. Hier sorgt ein Privatunternehmen für Sicherheit, Infrastruktur und Streitschlichtung. Jeder bezahlt eine vorher festgelegte Summe an das Unternehmen über einen Bürgervertrag, ist also Vertragsbürger. Diese Summe kann das Unternehmen nicht einfach beliebig ändern. Eines der großen Probleme unserer Zeit ist, dass immer vom Gesellschaftsvertrag geredet wird. Aber wenn eine Seite, in dem Fall die Regierung, den jedes Jahr abändert, stimmt etwas nicht. Das hat mich dazu bewegt zu sagen, Staat, das ist eigentlich eine Dienstleistung wie jede andere.“

Die Dienstleistung der freien Privatstädte basiert auf der Annahme der gleichen Grundbedürfnisse der Menschen:

„Wir wollen alle nicht totgeschlagen werden, wenn wir aus dem Haus gehen. Frieden und Sicherheit möchte jeder. Und ich möchte auch eine unabhängige Streitschlichtung, wenn es Ärger gibt. Ich möchte mich dann nicht duellieren müssen. Aber da hört es auf. Alles, was darüber hinausgeht, sind Menschen unterschiedlicher Ansicht, weil Menschen verschieden sind. Und deshalb sage ich, haben die alten, liberalen Klassiker recht gehabt. Die haben gesagt, ein Staat darf eigentlich nur die Sicherheit gewährleisten, alles andere ist Politik. Und Politik ist immer, was eine bestimmte Gruppe von Leuten will. Seien es Lobbyisten, Ideologen, Intellektuellen mit Weltrettungsformel. Und da sage ich, wir nehmen uns komplett aus dem Politik-Theater raus und sagen, das sind die Leistungen, die wir anbieten. Wenn Euch das Angebot gefällt kommt, ansonsten bleibt einfach weg.  Und was ihr innerhalb dieses Systems macht, ist euch überlassen.“

Sonderwirtschaftszonen 2.0

Für Titus Gebel ist die einzige Chance Freiheit zu Lebzeiten zu erreichen, der Aufbau freier Privatstädte:

„Da ich Jurist, Völkerrechtler und Unternehmer bin, viele Jahre in der Politik war, kommen da viele Sachen zusammen, die man möglicherweise dafür braucht. Ich war Vorstandsvorsitzender der Deutschen Rohstoff AG, die ich selbst mitgegründet habe und bin Ende 2014 nach acht Jahren freiwillig ausgeschieden. Seitdem widme ich mich dieser Idee und das wahrscheinlich bis an mein Lebensende.“

Und natürlich möchte BeInCrypto wissen, wo diese freien Privatstädte liegen könnten!

„Wir gehen eher in wärmere Gefilde. Das liegt eigentlich daran, dass es nicht leicht ist, Staaten für diese Idee zu begeistern. Es ist vielleicht leichter als vor 50 Jahren, denn es gibt mehrere tausend Sonderwirtschaftszonen auf der Welt. Somit gibt es das Eingeständnis des Staates, dass seine Regelungen nicht für alle die besten sind, sonst würden sie ja keine Sonderwirtschaftszonen einrichten. Und es gibt auch schon einige Sonderwirtschaftszonen, wie das Dubai International Financial Center, die eigene Gerichtsbarkeiten haben.“

Daran knüpft das Team von Titus Gebel an und verhandelt über die Einrichtung von „Sonderwirtschaftszonen Plus“ mit eigener Regelungsbefugnis, eigener Sicherheitskräfte, eigener Gerichte und weitgehender Autonomie.

„Und wenn es einem Land einigermaßen gut geht, warum soll es sich auf so ein Experiment einlassen? Also mit anderen Worten: Es sind schon Staaten, denen es nicht so optimal geht und die etwas machen müssen, um Jobs zu kreieren und Investoren anziehen. Und deswegen schauen wir uns im Äquatorbereich um. Die ersten Projekte sind in Honduras entstanden. Und meine Firma Tipolis ist grade in Afrika in Verhandlungen. Der Vorteil für uns Europäer ist, dass das in etwa unsere Zeitzone ist. Aber diese Verhandlungen sind immer ein langwieriger Prozess, da müssen Gesetze geändert werden, da muss das Parlament zustimmen usw.“

Freie Privatstädte und Kryptowährungen

Wie könnten Kryptowährungen da eine Rolle spielen?

„Es gibt vor allem zwei Gruppen in der Gesellschaft, die Interesse an Freien Privatstädten haben: Es sind die Libertären und es sind die Krypto-Leute. Ich glaube, die Libertären haben die Philosophie der Freiwilligkeit und Privatrechtsgesellschaft sowieso verinnerlicht. Die Krypto-Leute haben einfach schon ausprobiert, wie es ist, in einem Parallelsystem zu arbeiten. Sie haben ihre eigene Währung geschaffen und das hat gut funktioniert. Dann kam die Bewegung mit den Bitcoin Zitadellen, das passt. Allerdings brauchen wir einen Ort, wo wir physisch sicher leben können. Es nützt eben nichts, wenn du Mitgliedschaften in 15 virtuellen Staaten hast und der Staat deinen Computer beschlagnahmt.“

Derzeit überlegt Titus Gebel mit seinem Team, inwieweit Krypto- und Blockchain-Elemente zu den Freien Privatstädten passen:

„Momentan arbeiten wir am Aufbau einer E-Governance, einer elektronischen Verwaltung auf der Blockchain. Der Vorteil ist hier die Privatsphäre. Das passt zu dem Konzept, dass in die Freien Privatstädte nicht jeder jederzeit rein kann. Die Freien Privatstädte suchen sich ihre Kunden gut aus. Wir wollen bestimmte Querulanten und Kriminelle nicht haben. Aber wenn man drin ist, dann ist man maximal geschützt, auch die eigenen Daten.

Kann man Bitcoin als Standardwährung für so ein System nutzen?

Bitcoin ist eine Chance, weil es uns von Banken und anderen Legacy-Systemen abkoppelt. Außerdem haben wir die Möglichkeit, dass wir Investments über Bitcoin nutzen können. Wir verhandeln mit Menschen, die in der Zukunft leben. Kryptowährungen, Blockchain, Tokenization of everything. Und auf der anderen Seite verhandeln wir Regierungen in wenig funktionalen Ländern, da werden Akten gewälzt, aber auch nur, wenn es nicht regnet.“

Das Potenzial der Blockchain nutzen

In Bezug auf die Anwendungsfälle für die Blockchain-Technologie führt Titus Gebel das Nachweisen von Besitzrechten bei Grundstücks- und Landtransaktionen an. Besonders praktisch ist der Nachweis auf der Blockchain, sollten die physischen Unterlagen verloren gehen.

„Diese Grundstücke könnte man auch tokenisiert in Bruchteilen ausgeben. Das ist momentan noch mit großem Aufwand verbunden. Und das Thema Personenregister, da legen wir großen Wert auf Privatsphäre über Blockchain-basierte Anwendungen, die nur bestimmte Elemente Ihrer Persönlichkeit für spezifische Verwaltungssachen zu sehen. Dabei wird nicht jedes Mal der komplette Datensatz abgefragt. Der dritte Anwendungsfall wären Unternehmensgründungen. Da versuchen wir über Smart Contracts und Blockchains einen neuen Typ aufzubauen, der einfacher im Handling ist. Natürlich ist die Hauptanwendung nach wie vor Kryptowährungen.“

Ferner erzählt er, von Überlegungen eine neue Gesellschaftsform zu schaffen:

„Die Bit Corp. Als Jurist leide ich darunter, es ist in fast allen Ländern ein Alptraum, Firmen zu gründen und ein Konto zu kriegen. Wir haben hochkarätige Leute aus Real Estate und dem Finanzbereich an Board, so können wir die alte mit der neuen Welt verbinden.“

Das Team hinter den freien Privatstädten hat den Aufbau eines Prototyps der E-Government Blockchain-basierte Verwaltung bei einer externen Firma in Auftrag gegeben.

„Alles, was du brauchst, ist dann auf deiner Bürger-App. Von Anträgen, Häuserkauf bis Nachrichten, alles ist online machbar. Das sind alles Erleichterungen, die Blockchain und Krypto-Erfahrene sicherlich schnell annehmen. Eine enorme Steigerung der Lebensqualität eben nicht eine Stunde im Wartezimmer von einem Rathaus zu sitzen und eine Nummer ziehen zu müssen. Ich kann das dann von meinem eigenen Smartphone machen und kriege innerhalb von 24 Stunden einen Bescheid.“

Privatsphäre in freien Städten

Auch in den klassischen Staaten geht es zunehmend um die Verwaltung via digitaler Identitäten. Doch für viele Menschen gibt es hier Zweifel, was die Privatsphäre angeht. Titus Gebel erklärt in Bezug auf die freien Privatstädte:

„Man muss keine Daten preisgeben. Allerdings kann man Daten preisgeben, wenn man etwas haben möchte, wie einen Führerschein beispielsweise. Aber deswegen setzen wir ja auch auf die Blockchain, damit die Daten sicher sind und keine Daten-Leaks entstehen. Die meisten Daten-Leaks entstehen über die überbordenden Compliance-Vorschriften. Wir garantieren Privatsphäre und Sicherheit per Vertrag. Wir garantieren auch mit Ausnahme der im Vertrag festgehaltenen Regeln, dass wir ohne eine Zustimmung keine neuen Regeln erfinden und dass Sie als Bürger nicht überwacht werden, ihre Privatsphäre gewährleistet bleibt. Das ist unser Produkt.“

Krypto-Investoren kennen sie: Die Eigenverantwortung. Diese spielt auch in den freien Privatstädten eine große Rolle:

„Die Kehrseite der Medaille ist die Eigenverantwortung. Aber wenn sie sich das Konzept einige Jahre angeschaut haben, dann erkennen sie, dass Eigenverantwortung gar nicht so schwer ist, wie der Staat das immer erzählt. Und dann wird klar, ach die haben einen Vertrag und der Staat kann den Vertrag nicht einseitig ändern. Du, Regierung, ich will auch einen Vertrag von dir. Solche Effekte können langfristig eintreten. Dann müssen die Leute auch nicht jedes Detail verstehen, sondern nur sehen, dass das Konzept besser funktioniert. Das sieht man aber erst nach einigen Jahren, wenn das Konzept wirklich erfolgreich ist. Wir arbeiten daran. Wer Interesse hat, unseren Fortschritt zu verfolgen, kann sich unter www.freeprivatecities.com in den Newsletter eintragen.“

Vielen Dank, Titus Gebel!

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Alexandra Kons
Alex hat ihren Bachelor in Orient- und Asienwissenschaften an der Friedrich-Wilhelms Universität Bonn absolviert, danach Deutsch als Fremdsprache am Goethe Institut studiert und ihren Master in Arabistik an der Freien Universität Berlin absolviert. Seit 2017 ist sie als Krypto-Journalistin tätig.
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