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TON: Eine Tragödie in drei (vier) Akten

5 min
Aktualisiert von Tobias W. Kaiser
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IN KÜRZE

  • Das ehrgeizige Blockchain-Projekt TON wurde von der US-Justiz abrupt gestoppt.
  • Nach einem langen Rechtsstreit mit der SEC hat das Team um Pavel Durov schließlich aufgegeben.
  • Die TON-Community führt die "Free TON Blockchain" weiter. Ein kostenloser Token soll folgen.
  • promo

Das Blockchain-Projekt der beiden russischen Brüder Pavel und Nikolai Durov ist grandios gescheitert. Diese Woche ist das Telegram Open Network (TON) wohl der negative Höhepunkt nach einer jahrelangen Erfolgsgeschichte.
Die Nebenrolle des Bösewichts spielte dabei die US-Börsenaufsicht SEC. Es war er eine Tragödie in drei Akten:

Akt 1: Aufstieg eines Giganten 

Im Oktober 2019 schaute die Blockchain-Gemeinde gespannt auf TON (Telegram Open Network) – und den dazugehörigen nativen Token GRAM. Die neue Blockchain-Währung war der am heißesten erwarteten Launch des Jahres. 524 Seiten Whitepaper hatte TON für den Token vorgelegt und kündigte nichts weniger an, als die Blockchain-Technologie zu revolutionieren. Dabei half natürlich, dass die Durov-Brüder schon durch Russlands soziales Netzwerk Nummer eins (Vkontakte), sowie den Messenger Nummer eins der Krypto-Community (Telegram) bekannt sind. Ein zusätzliches Blockchain-Netzwerk hätte damit sehr schnell eine beträchtliche Anzahl von Nutzern anziehen können. Es ist also kein Wunder, dass das benötigte Geld für das Telegram Open Network 2018 schnell von wenigen reichen Investoren beigesteuert wurde, immerhin 1,7 Milliarden US-Dollar. Mit dieser Summe sollten die ersten TON-Tokens, „GRAM“,  finanziert und emittiert werden. Wenn TON jedoch nicht bis zum 30. Oktober 2019 umgesetzt werden könnte, ginge das Geld an die Investoren zurück. Für die Entwicklung des Telegram Open Networks (TON) genoss das Unternehmen den Luxus, sich die etwa 100 Geldgeber selber auszusuchen, darunter Branchengrößen wie Kleiner Perkins, Lightspeed, Benchmark und Sequoia. Einige der frühen Investoren haben wohl bereits mit dem Handel der GRAM-Placeholder-Token begonnen. Doch in dieser Phase ist der Verkauf von GRAM-Placeholder-Token nicht erlaubt (wahrscheinlich wussten das die Verkäufer auch). Die Geldgeber sollten die Tokens zum Start des Netzwerks erhalten. Die US-Börsenaufsicht SEC interpretierte diese Deals jedoch als nicht registriertes Wertpapiergeschäft.

Akt 2: Heldenhafter Kampf

Die Frist für den Start des TON-Mainnets war am 30. Oktober 2019. Nur wenige Tage vorher, am 11. Oktober 2019 hat die US-Behörde für Börsenaufsicht, SEC, den Start des Netzwerks durch eine Klage gestoppt. Die SEC, gemeinsam mit den US-Regulierungsbehörden CFTC und FinCEN warnte: Verstöße gegen das Banken- und Wertpapiergesetz, vor allem vor der  Verwendung von Kryptowährungen, müssten genauestens verfolgt werden. EILMELDUNG: Durov-Brüder ziehen TON den Stecker Die Durovs sahen die Sache natürlich anders, da sie die Tokens ausschließlich in privaten Runden verkauften und die Tokens ihrer Meinung nach keine Wertpapiere, sondern Utility Tokens waren. Sie überzeugten die Investoren davon, den Start des Mainnets und somit auch die Übergabe der GRAM Tokens auf den 30. April 2020 zu verschieben. Es folgte ein erbitterter Rechtsstreit gegen die SEC. In den letzten Monaten zeichnete sich jedoch immer mehr ab, dass sie diesen Rechtsstreit verlieren würden. Die Durovs verkauften, wenn auch in privaten Runden, Tokens an US-Investoren. Mit dem Start des Mainnets hätten allerdings auch US-Bürger die Tokens über den Sekundärmarkt kaufen können. Weiterhin erfüllen die Tokens nicht alle Kriterien, anhand derer die SEC sie als Utility Tokens einschätzen könnte. Rein formell ist die SEC im Recht. Allerdings können viele aus der Krypto-Gemeinschaft dieses Vorgehen nicht nachvollziehen. Auch für Telegram-Chef Pavel Durov ist die Entscheidung ein Skandal: „Leider hat ein US-Gericht TON verhindert. Stellen Sie sich vor, dass mehrere Leute ihr Geld zusammenlegen, um eine Goldmine zu bauen – und später das Gold, das dabei herauskommt, zu teilen“, schrieb er in einem Blog. „Dann kommt ein Richter und sagt den Minenbauern: ‘Viele Leute haben nur in die Goldmine investiert, weil sie auf Gewinne aus waren. Das geht nicht.’“ 

Akt 3: Sterbender Schwan

Die Durovs und ihre Mannschaft bekamen die Übermacht der US-Wirtschaft zu spüren: Das Gericht kann sein Urteil nur für das US-Territorium aussprechen. Da Apple und Google aber in den USA sitzen, müssten die Apps aber aus App- und Play-Store weltweit verschwinden. Durov schrieb dazu:
Diese Gerichtsentscheidung impliziert, dass andere Länder nicht die Souveränität besitzen, um zu entscheiden, was für ihre Bürger gut oder schlecht ist. Wenn die USA sich plötzlich entschieden, Kaffee zu verbieten und verlangten, dass Cafés in Italien geschlossen werden sollen, weil dort auch Amerikaner hingehen könnten, würde dem wohl niemand zustimmen.
Nachdem nun auch die zweite Frist verstrichen war, baten die Russen ihre Investoren erneut um einen Aufschub. Sie boten an, 72% des Geldes zurückzunehmen, oder bei der Stange zu bleiben und ein Jahr später 110% der Investition in GRAM zu erhalten. [Capital] Dies könnte man wohl als einen Griff nach dem letzten Strohhalm interpretieren. Aber auch dies nutzte nichts. Vor zwei Tagen gab Pavel Durov bekannt, das Handtuch zu werfen. Wie genau und in welcher Höhe Investoren das Geld zurückerhalten sollen, ist noch nicht bekannt. Wie es aussieht, scheinen allerdings nach den Entwicklungskosten von TON und dem langen Rechtsstreit nur noch 72% der investierten Summe da zu sein. Dies könnte wohl ein zivilrechtliches Nachspiel für die Durov-Brüder haben.

Akt 4: Wiedergeburt

Möglicherweise könnte der Rückzieher der Durovs auch damit zu tun haben, dass sich eine Community-Gruppe gebildet hat, welche die TON-Blockchain dezentral starten will. Das Projekt Free TON verwendet den Open Source Quellcode des Telegram Open Network, verzichtet dabei allerdings auf jegliche Zusammenarbeit mit Telegram oder den Durovs. Angekündigt wurde ein kostenloser Token, der „TON“ heißen soll. Dieser TON-Token soll an die Community frei verteilt werden. Die Blockchain steht von nun an unter dezentraler Aufsicht der Community. Das alte Telegram-Team und die Investoren sind raus. In seinem Blog-Post warnte Durov jedoch:
Wir schreiben diese Ankündigung, um offiziell anzukündigen, dass Telegrams aktive Beteiligung an TON vorüber ist. Sie werden, oder haben möglicherweise schon Webseiten gesehen, die meinen Namen, die Marke Telegram, oder die Abkürzung TON missbrauchen, um ihre Projekte zu promoten. Vertrauen Sie diesen Projekten weder Geld, noch Ihre Daten an. Kein derzeitiges oder damaliges Mitglied unseres Teams ist an irgendwelchen dieser Projekte beteiligt. Während Netzwerke, die auf unserer Technologie basieren entstehen könnten, haben wir keine Verbindung zu diesen und es ist unwahrscheinlich, dass wir sie jemals in irgendeiner Form unterstützen werden. Bleiben Sie also vorsichtig und lassen Sie sich nicht in die Irre führen.
Dies kann man auf zweierlei Arten verstehen. Free TON ist tatsächlich ein ernstzunehmendes Projekt, welches die TON-Technologie verwendet und auf den Prinzipien der Dezentralisierung fußt. Es kann sein, dass Durov sich durch die Free TON Community betrogen fühlt und ihr daher seine Unterstützung entsagt. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass er dem Projekt einfach nicht im Weg stehen will. Da es sich um ein dezentrales Projekt handelt, kann die SEC ihren Willen nicht gegen Free TON durchsetzen. Entscheident dafür, dass sie TON jedoch als Utility Token klassifiziert ist, dass es keine zentralen Akteure in dem Netzwerk, wie Telegram, oder die Durovs gibt. Mit seiner Ankündigung streitet Durov diese Beteiligung für alle sichtbar ab. Er schließt mit folgenden Worten:
Ich möchte diesen Post abschließen, indem ich all denen danke, die sich in dieser Welt um Dezentralisierung, Ausgewogenheit und Gleichheit bemühen. Ich kämpft in einer aufrechten Schlacht. Dies könnte möglicherweise die wichtigste Schlacht unserer Generation sein. Wir hoffen, dass ihr dort erfolgreich sein werdet, wo wir scheiterten.
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Manfred Weber
Manfred interessiert sich schon seit einigen Jahren für den Krypto-Raum und setzt seine intensive Erfahrung im journalistischen Bereich mit unterschiedlichen Schwerpunkten um.
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