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Würde der Proof-of-Stake Konsensmechanismus Bitcoin zerstören?

6 min
Aktualisiert von Alexandra Kons
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IN KÜRZE

  • Verschiedene Umweltorganisationen drängen das Bitcoin-Netzwerk zur Umstellung auf Proof-Of-Stake.
  • Diese Umstellung wäre für das Netzwerk höchstwahrscheinlich fatal.
  • Unternehmen wie Ripple könnten jedoch davon profitieren.
  • promo

Bitcoin sollte den bewährten Proof-Of-Work nicht für einen Konsens-Mechanismus aufgeben, der keine 14 Jahre lang getestet wurde, sagt Rick Delaney, Senior Crypto Analyst @OKX.

Vor einigen Monaten haben Ripple, Greenpeace und eine Handvoll anderer Umweltorganisationen ihr mangelndes Verständnis für Bitcoin und dessen Einzigartikeit unter Beweis gestellt. Im März 2022 wurde die “Change the code, not the climate“-Kampagne angekündigt. Diese sollte einflussreiche Bitcoiner unter Druck setzen, damit sie einen Wechsel vom energieintensiven und bewährten Proof-of-Work-Konsensmechanismus (PoW) zum noch experimentellen Proof-of-Stake (PoS) unterstützen.

Zur eigenen Rechtfertigung stützt sich die Kampagne stark auf die laufende Umstellung von Ethereum zu PoS. Der Tag, an dem Ethereums Miner endgültig abschalten, rückt immer näher und selbstverständlich wird damit auch die Anti-PoW-Community ihren Druck auf Bitcoin erhöhen

Proof-of-Stake vs. Proof-of-Work

Kurzgefasst lautet die Argumentation: “Wenn Ethereum die Umstellung des Konsensmechnismus schafft, kann Bitcoin das auch“. Diese Aussage nimmt allerdings keine Rücksicht auf die Grundzüge und Unterschiede beider Projekte. Die Anhänger von Bitcoin schätzen vor allem die Berechenbarkeit und die Einhaltung solider monetärer Prinzipien. Doch genau diese Eigenschaften werden durch grundlegende Änderungen an der Codebasis infrage gestellt.

Über PoS und PoW sowie die damit einhergehenden Kompromisse wurde bereits viel geschrieben. Während einige behaupten, PoW biete unüberwindbare Sicherheit, behaupten andere, PoS erreiche dasselbe bei einem Bruchteil des Energieverbrauchs. Die Debatte findet kein Ende und ich werde die Argumente hier nicht wieder befeuern.

Stattdessen möchte ich mich auf einen wesentlich fundamentaleren Grund konzentrieren, warum PoS so schlecht zu Bitcoin als Soundest Money des Planeten passt: bis heute ist es nie zu einer solchen Umstellung gekommen. 

Ein Bild von BeInCrypto.com

Vorhersehbarkeit schafft Vertrauen

Geld ist ein System des Vertrauens. Ohne den weit verbreiteten Glauben, dass ein Stück Gold, eine 20-Pfund-Note oder sogar eine Handvoll Muscheln gegen Zeit, Produkte oder Ideen von jemandem eingetauscht werden können, sind diese Dinge nichts weiter als Ansammlungen von Molekülen. Wir Menschen verleihen einer Sache Wert und die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass ein Geldsystem ohne Vertrauen schnell zusammenbricht.  

Hätte Gold in den letzten 5.000 Jahren den Status als wichtigstes Geld der Welt über Raum, Zeit und kulturelle Unterschiede hinweg halten können, wenn die Molekularstruktur sich regelmäßig verändert hätte? Nein, natürlich nicht. Gold verändert sich nicht und das Vertrauen bleibt bestehen. In Ländern mit einer höchst unberechenbaren Geldpolitik und unbeständigen wirtschaftlichen Bedingungen bricht das Vertrauen in die Währungen und damit auch die Währungen selbst völlig zusammen.

Vertrauen entsteht auch nicht über Nacht. Bitcoin gibt es seit 14 Jahren, mit einer Betriebszeit von mehr als 99 %. Dennoch gilt die Coin immer noch nicht allgemein als vertrauenswürdig. Obwohl nach langwierigen Debatten und der Suche nach einem Konsens auf Netzwerkebene viele Änderungen am Protokoll vorgenommen wurden, bleiben die Hauptmerkmale unverändert: Ein begrenztes Angebot, das durch die Macht des weltweit leistungsstärksten Computernetzwerks geschützt wird

Änderungen, insbesondere solche, für die es keinen historischen Präzedenzfall gibt, lassen oft Zweifel an der Zukunft aufkommen. Stell dir vor, ein Fortune 500-Unternehmen entlässt seinen erfolgreichen CEO und setzt einen völlig Unbekannten ein. Die Auswirkungen auf den Aktienkurs sind vorhersehbar. Stell dir nun einmal vor, dass der gesamte Wert einer Anlage auf ihrer Vorhersagbarkeit beruht. Genau das ist bei Bitcoin der Fall.

Das “Ultrasound Money” ist eine Farce

Unter den treuesten Befürwortern von Ethereum kursiert ein beliebtes Meme. Diesem wohnt die Überzeugung inne, dass alles, was den Preis steigen lässt, Ethereum zu einer solideren Form des Geldes als Bitcoin macht. Vielleicht sogar zum “Ultrasound Money”.

Die Beliebtheit dieses Memes ist leicht verständlich: Wenn Bitcoin als Sound Money zelebriert wird, ist unser “Ultrasound Money” sicherlich besser. Doch das ergibt absolut keinen Sinn.

Bitcoin wird unter anderem wegen des begrenzten Angebots als stabil angesehen. Die harte 21-Millionen-Grenze bedeutet jedoch nichts, wenn die Nutzer und Anleger, nicht darauf vertrauen, dass sich daran nichts ändert. Falls Bitcoin also den bewährten PoW-Algorithmus für einen Mechanismus aufgibt, der noch keine 14 Jahre lang getestet wurde, warum sollten die Nutzer dieser Blockchain dann weiterhin auf das begrenzte Angebot an Coins vertrauen? Der Widerstand von Bitcoin gegen solche Änderungen ist ein wesentlicher Grund für seine Einstufung als Sound Money.

Ein Bild von BeInCrypto.com

Proof-of-Stake und Ethereum

ETH ist im Vergleich kein Sound Money. Das gesamte zirkulierende Angebot und die Emission sind schwer zu quantifizieren und Mechanismen wie die Gebührenverbrennung von EIP-1559 machen die Coin nur noch unberechenbarer. Wenn niemand Ethereum nutzt, wirkt sich die Ausschüttung dieses Tokens inflationär aus. Führen viele Nutzer Transaktionen durch, so kann die Ausschüttung deflationär wirken. Allein die Tatsache, dass niemand die sich ständig ändernde Geldpolitik von Ethereum eindeutig einzuordnen vermag, zeigt, dass es sich nicht um Sound Money handelt, geschweige denn um “Ultrasound Money”.

Was auch immer man über El Salvador, MicroStrategy und andere denken mag, es gibt einen Grund dafür, dass diese Institutionen im großen Stil in BTC und nicht in ETH, XRP, SOL oder eine andere Kryptowährung investieren. Das Bitcoin-Netzwerk versucht nicht, ein Weltcomputer zu sein oder als Plattform für rechtlich fragwürdige Anwendungen zu dienen. Diese für sich genommen bewundernswerten Ziele erfordern ein völlig anderes Netzwerk. Es sind dramatische Veränderungen zu erwarten.

BTC hingegen ist auf dem Weg, sich als die solideste Form von Geld zu etablieren, die es je gab. Experimentelle Konsensprotokolle stehen völlig im Widerspruch zu dieser Mission.

Vielleicht braucht Bitcoin mehr Zeit

Die Tatsache, dass PoS derzeit schlecht zu Bitcoin passt, bedeutet nicht, dass ETH wertlos ist oder dass die von den Ethereanern unterstützten “Number go up”-Mechanismen schlecht oder unerwünscht sind. Es geht bei hierbei nicht um die Qualitäten bestimmter Netzwerke mit Smart-Contract-Fähigkeiten auf der Base-Layer.

Auch bedeutet es nicht, dass PoS selbst unbedingt fehlerhaft ist. In dieser Debatte sind die Argumente auf beiden Seiten stark. Jedoch bedeutet die Existenz einer solchen Diskussion an sich bereits, dass PoS heute noch nicht für Bitcoin geeignet ist. Vielleicht ist die Situation morgen ein andere, aber der Versuch, Codeänderungen mit Gewalt durchzusetzen, könnte alle Besonderheiten von Bitcoin zerstören.  

Bis jetzt wurde die PoS-Implementierung bei Ethereum noch nicht im großen Ausmaß getestet. Es gibt zahlreiche Varianten des Delegated-Proof-of-Stake, aber keine Blockchain mit einem Wert von mehreren Milliarden verwendet das System, welches Ethereum gerade umsetzt. Außerdem ist der Wechsel von PoW zu PoS in einem aktiven Netzwerk extrem riskant. Deshalb dauert die Zusammenführung der Ethereum-Blockchains auch so lange. Dieses Projekt durchläuft eine instabile Übergangsphase, während die Attraktivität von Bitcoin direkt aus der Stabilität des Netzwerks resultiert.

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PoS und Bitcoin: Missverständnis oder böswillige Absicht?

Die “Change the code, not the climate“-Kampagne steht grundlegend im Widerspruch zu dem, was Bitcoin-Nutzer als das zentrale Wertversprechen des Netzwerks ansehen. Es stellt sich also die Frage, ob eine solche Änderung das Risiko wert ist?

Oberflächlich betrachtet haben diese Umweltgruppen einen Tunnelblick auf den Energieverbrauch: “Wenn wir eine Anwendung nicht mögen und sie Strom verbraucht, dann schaffen wir diese ab.” Greenpeace und die Environmental Working Group sehen keinen Wert in Bitcoin und haben daher kein Problem damit, das Besondere des Netzwerks für die eigene Agenda zu zerstören. Für diese Organisationen ist es vollkommen akzeptabel, Energieaufwand auf der Grundlage subjektiver Ansichten zu beurteilen.

Nun kommen wir zu Ripple und der dazugehörigen Kryptowährung XRP. Dieses Unternehmen ist vermutlich der Meinung, dass sein eigenes Token vom Niedergang des Bitcoins stark profitieren kann. Das mag eine konspirative Sichtweise sein. Allerdings legt Ripple das eigene Handeln in der Kryptoindustrie immer darauf aus, in der Gunst bestehender Finanzinstitute zu stehen. Darüber hinaus versucht das Projekt diesen Institutionen die Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, um den Status quo der Finanzwelt zu schützen. Der Verdacht ist also gerechtfertigt.

Die wahren Absichten von Ripple mögen spekulativ sein, aber eines ist sicher: ähnliche direkte Angriffe auf Bitcoin werden lauter, je näher die “Fusion” von Ethereum rückt.

In einem Video auf der Website “Change the code, not the climate” heißt es:

“Die Umstellung auf PoS würde Bitcoin so gut wie nichts kosten.”

Hunderte von Millionen Bitcoin-Nutzern, mich eingeschlossen, sind jedoch anderer Meinung – diese Änderung würde Bitcoin alles kosten.

Über den Autor

Rick Delaney

Rick Delaney ist ein leitender Krypto-Analyst bei @OKX. Der ehemalige Pokerspieler wurde zum Schriftsteller und hat einen akademischen Hintergrund in Politik und Linguistik. Delaney entdeckte Bitcoin im Jahr 2013, auf der Suche nach alternativen Möglichkeiten zur Finanzierung von Online-Casino-Konten. Nachdem tieferen Eintauchen in diese Materie, überzeugte ihn das Versprechen von Bitcoin, sich von korrupten Zentralbankern zu lösen. Einige Jahre später begann Delaney im Kryptobereich für Medienpublikationen, darunter BeInCrypto, zu arbeiten, bevor er bei OKX als Senior Content Writer und Krypto-Analyst tätig wurde. Seine Interessensgebiete erstrecken sich über alle Ecken der Branche, aber wirklich dezentralisierte Systeme sind das, was ihn angezogen hat. Diese bleiben die wahre Leidenschaft des ehemaligen Pokerspielers.

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