Bitcoin auf Madeira: Präsident Miguel Albuquerque hat letztes Jahr offiziell verkündet, dass Madeira Bitcoin willkommen heißt. Wie steht es nun also um die Adaption von Bitcoin?
Ihr erinnert euch bestimmt an den ersten Teil des Artikels: Wir berichteten unter anderem über die allgemeine steuerliche Situation und die pro Bitcoin Initiative Free Madeira. Dazu besuchten wir den passionierten Unternehmer André Loja, um mehr über die spannenden Projekte der Initiative zu erfahren.
Jetzt im zweiten Teil bekommst du weitere Einblicke: Wie positioniert sich die Regierung offiziell? Welche Erfahrung haben Gastronomen mit Bitcoin als Zahlungsmittel bereits gemacht? Was hat Niko Laamanen – CEO vom Konsens Network – mit Free Madeira zu tun?
Kleiner Spoiler: Er setzt sich insbesondere für die Bildung bei Free Madeira ein und hat drei spannende Buchtipps für dich. Legen wir also los.
Regierung und Bitcoin
Ist die Regierung von Madeira jetzt „orange pilled“? Nicht ganz. Erstens ist auch auf Madeira die Verwaltung immer noch Verwaltung. Zweitens sind Regierungen nicht unbedingt dafür bekannt, soziale und technische Neuerungen mit offenen Armen willkommen zu heißen. Man denke nur zuletzt an das Internet. Bei einem Thema wie Krypto gilt dies erst recht. So findet man seitens der lokalen Regierung auch bisher kaum offizielle Aktivitäten zum Thema.
Mehrere Kontaktaufnahmen telefonisch und per E-Mail zur Verwaltung blieben ergebnislos. Daraufhin statte ich der Regionalverwaltung persönlich einen Besuch ab. Diese liegt in einem äußerst pittoresken historischen Gebäude mitten in der Altstadt von Funchal. Ein ehemaliges Irrenhaus – so erklärte es mir ein äußerst freundlicher Verwaltungsmitarbeiter. Dieser verwies mich dann mit meiner Anfrage direkt zum Präsidenten. Aber auch der Besuch im “Präsidentenpalast” – traumhaft in Hanglage neben einem exotischen Park mit Blick auf die Kreuzfahrtschiffe im Hafen – blieb letztendlich ergebnislos.
Madeira ist übrignes der zentralen Regierung Portugals unterstellt und nicht völlig autonom. Bedeutet: Auch hier gilt es bestehende Hürden und Vorurteile gegenüber BTC zu überwinden. Portugal ist als Teil der EU natürlich auch in deren bürokratischen und ideologischen Rahmen bezüglich BTC und Kryptowährungen allgemein eingebunden. Stichwort MICA.
Laut André (siehe Teil eins) unterstützt der Präsident Free Madeira, aber es gibt bisher kaum direkte Beziehung oder engere Zusammenarbeit. Man versteht sich seitens Free Madeira bisher eher als Berater für die Regierung. Die Regierung hat laut André aber die Integration von BTC in ihre Vision für eine diversifizierte zukünftige Wirtschaft aufgenommen.
So bleibt die lokale Adaption von Bitcoin bisher in erster Linie der Initiative von privaten Akteuren wie André und seinen Mitstreitern überlassen. Was seitens Free Madeiras auch durchaus begrüßt wird. Zum einen bleibt Free Madeira dadurch unabhängig von staatlichen Akteuren und zum anderen wird im Idealfall BTC von den Leuten aus Überzeugung gewählt. Anders als in El Salvador – wo Bitcoin quasi staatlich verordnet wurde, so Niko Laamanen ebenfalls Mitglied von Free Madeira.
Bitcoin und Bildung
Wie bereits im ersten Teil des Artikels aufgezeigt, ist Bildung ein zentrales Anliegen von Free Madeira. Da kommt Niko ins Spiel. Als CEO vom Konsensus Network fördert er bereits seit einigen Jahren das Wissen über Bitcoin und das bisherige Geldsystem. Dazu übersetzt und vertreibt der gebürtige Finne seit 2018 zusammen mit einem Team Bücher aus dem Englischen in viele verschiedene Sprachen – unter anderem auch ins Portugiesische. Dies erachtet er als notwendig, weil Menschen die eher schwierigen und abstrakten Ideen hinter Bitcoin und dem Fiat-Geldsystem leichter in ihrer Muttersprache verstehen. Künstliche Intelligenz alleine könne sinnvolle Übersetzungen dabei noch nicht zufriedenstellend leisten.
Generell ist er ein großer Fan davon, sich selbst Wissen anzueignen. Das Internet bietet dafür fantastische Möglichkeiten.
„Du brauchst keinen Uniabschluss, um ein gutes Leben zu haben. Das Internet hat das überflüssig gemacht!“
Der studiert Bauingenieur Niko Laamanen über die Bildungsmöglichkeiten des Internets.
Von den fast vierzig Ländern, die er im Laufe seines bisherigen Lebens bereiste, hat ihm Portugal mit der Blumeninsel Madeira mit am besten gefallen. So wurde die Insel des ewigen Frühlings vor 1,5 Jahren für ihn und seine Familie zur Wahlheimat.
Es dauerte nicht lange und er lernte André kennen – nachdem er gesehen hatte, dass dieser in seinem Co-Working Space Bitcoin akzeptiert.
Bei Free Madeira vermittelt er in Workshops, wie Privatpersonen und Gewerbetreibende Bitcoin anwenden können. Idealerweise würden die Leute aus eigenem Antrieb BTC benutzen. So entstünde echte Adaption. Allerdings bleibt ein großes Hindernis: Die Medien vermitteln ein sehr negatives Bild. Bitcoin würde vorrangig nur von Kriminellen benutzt werden und zerstöre die Umwelt. Es bräuchte viel Zeit, um den Leuten eine andere Perspektive als die der Mainstreammedien zu vermitteln.
Nun zu den versprochenen drei Buchempfehlungen:
1. „Die Anatomie des Staates“ von Murray N. Rothbard (Einsteiger)
2. „Das Schein-Geld-System: Wie der Staat unser Geld zerstört“ von Murray N. Rothbard von Murray N. Rothbard (Einsteiger)
3. „Der Bitcoin-Standard: Die dezentrale Alternative zum Zentralbankensystem“
von Saifedean Ammous (Fortgeschritten)
Generell empfiehlt er allen Interessierten mal auf der Website des Mises Institut vorbeizuschauen. Dort können unter anderem die ersten beiden seiner Buchempfehlungen heruntergeladen werden und stehen auch als Hörbücher zur Verfügung. Die nach dem Ökonomen Ludwig von Mises benannte Seite, beschäftigt sich der sogenannten Österreichischen Schule. Die ökonomische Theorie hat einen anderen Ansatz, als der gegenwärtig vorherrschenden Monetarismus nach dem Ökonomen Keynes. Sie sieht die Steuerung der Geldmengen durch Zentralbanken kritisch und macht diese verantwortlich für unnötige Konjunkturschwankungen.
Bezahlen und Bitcoin
Bei dem bestehenden Bildungsbedarf ist es auch wenig verwunderlich, dass bisher nur wenige Einzelhändler beziehungsweise Gastronomen BTC auf Madeira als Zahlungsmittel akzeptieren. Auf der Bitcoin Map sind alle derzeit bekannten Anlaufstellen eingetragen. Inklusive Andrés Co-Working-Space besuche ich vier davon persönlich. Drei davon konnte ich finden. Es fühlt sich ein bisschen wie eine Bitcoin-Schnitzeljagd im Urlaub an. Spannend.
Nach dem Interviewtermin in Andrés Co-Working-Space wurde ich zuerst im modernen und eher minimalistisch gestaltet Coffee Gaia fündig. Malerisch in der Altstadt nahe dem Palácio de São Lourenço und unweit des Hafens gelegen, gibt es dort guten Kaffee. Bezahlt wird einfach via Lightning Network mit einer App. Auf Nachfrage bei Ricardo – dem Besitzer und begeisterten Barista – scannt man einfach einen QR-Code mit dem Handy und die Bezahlung ist direkt abgeschlossen.
André, ein Freund von Ricardo, überzeugte ihn, diese Zahlungsoption anzubieten. Seit rund fünf Monaten gibt es diese Möglichkeit mittlerweile. Etwa alle ein bis zwei Tage Kunden bezahlen Kunden bisher damit. Kein schlechtes Ergebnis, dafür dass bisher nur auf der bereits genannten Open Bitcoin Map ein Hinweis darauf besteht.
Nach dem Kaffee bekomme ich Hunger und entscheide mich etwas zu essen. Ein Blick auf die Karte offenbart, dass im Stadtteil São Martinho das indische Restaurant „Indian Palace“ ebenfalls Zahlung per Bitcoin anbietet. Das Restaurant liegt unweit des von malerischen Klippen umrahmten Badestrandes Praia Formosa – zu Deutsch schöner Strand – mit seinem schwarz-goldenen Sand. Tipp: Der nahegelegene Naturpool Doca do Cavacas mit seinem glasklaren blauen Wasser. Man sieht jeden Fisch und Seestern. Mitten im Januar ist es hier warm genug, um zu baden und die Sonne zu genießen.
Auch im Indian Palace deutet äußerlich noch nichts auf die neue Zahlungsmöglichkeit hin. Während ich auf das leckere Essen warte, erfahre ich in einem kurzen Gespräch mit dem Besitzer Abdul, dass er ebenfalls von André überzeugt wurde. Außerdem kam eines Tages ein Kunde der explizit nach Bitcoin als Zahlungsmöglichkeit gefragt hätte. Seit rund 1,5 Monaten kann man nun dort mit BTC bezahlen, was allerdings bisher noch recht wenig genutzt wird. Abgewickelt werden die Transaktionen wieder über das Lightning-Netzwerk mit einem QR-Code, den man unkompliziert mit dem Handy abscannt.
Es gibt es noch ein paar weitere Stellen an denen BTC akzeptiert wird. Aber letztendlich ist die Adaption vor Ort zum Bezahlen bisher eher übersichtlich. Dies ist einer der Gründe, warum es die Initiative Free Madeira gibt, so Niko.
(K)ein zweites El Salvador?
Free Madeira hat großen Respekt für den Mut und das Engagement von El Salvador und deren Adaption von Bitcoin. Für Madeira sei allerdings ein anderer Ansatz notwendig und gewünscht, so André wie auch Niko. Sie wollen nicht den Leuten „von oben“ etwas vorschreiben. Stattdessen möchten sie Wissen vermitteln, überzeugen und die Leute selber wählen lassen. Wenn Menschen sehen, dass etwas gut für sie ist, wird es Teil ihres täglichen Lebens. Das braucht Zeit. Free Madeira versteht sich daher als ein Langzeitprojekt, welches gegenwärtig Grundlagen schafft und den Samen für eine erfolgreiche zukünftige Adaption pflanzt.
“Historisch gesehen, wurde das beste Geld immer freiwillig von den Menschen gewählt.”
Niko Laamanen über die Adaption von Bitcoin.
Nach dem fulminanten Start, also der Ankündigung von Präsident Miguel Albuquerque und der Gründung von Free Madeira, gab es viel öffentliche Aufmerksamkeit und Kontaktanfragen. Jetzt sieht die Initiative neben der Arbeit an den zahlreichen Projekten ebenfalls das Erwartungsmanagement als wichtige Aufgabe. Gerade im Bereich Krypto erwarten laut André leider zu viele Leute, dass alles super schnell geht.
Madeira – wohin geht die Reise?
Madeira, ist abgleitet aus dem portugiesischen und bedeutet Holz. Bevor es zur Massenadaption auf Madeira kommt, bleiben sozusagen noch einige dicke Bretter zu bohren. Die Akteure von Free Madeira setzen dabei auf nachhaltige Adaption, die anstatt von Hype oder Zwang mit Bildung und echten Anwendungsfällen überzeugt. Hier gilt also eher: Gut Ding will Weile haben! Eine willkommene Abwechslung in der ansonsten sehr schnelllebigen Krypto-Welt.
Die hohe Lebensqualität und die steuerlichen Vergünstigungen könnten zukünftig dabei helfen, Krypto-Enthusiasten anzuziehen und so die Adaption zusätzlich fördern. Aber auch abseits von Krypto, Madeira ist defintiv einen Besuch wert. Wir werden jedenfalls weiter ein Auge auf die kleine Insel werfen und dich auf dem Laufenden halten.
“Besucht Madeira! Selbst wenn du Free Madeira nicht magst, ist das Schlimmste, was passieren kann, dass du einen tollen Urlaub hast.”
André Loja
Wenn du jetzt gleich im Alltag auch mal etwas anderes machen möchtest, schau doch mal auf der Bitcoin Map vorbei. Vielleicht gibt es ja auch in deiner Nähe Anlaufstellen für Bitcoin oder Krypto. Diese könnt ihr dann in der Karte bestätigen oder updaten. Mitunter ergeben sich dabei interessante Begegnungen und Gespräche. Viel Spaß dabei!
Du willst mit Gleichgesinnten über Analysen, Nachrichten und Entwicklungen sprechen? Dann tritt hier unserer Telegram-Gruppe bei.
Haftungsausschluss
In Übereinstimmung mit den Richtlinien des Trust Project verpflichtet sich BeInCrypto zu einer unvoreingenommenen, transparenten Berichterstattung. Dieser Artikel zielt darauf ab, genaue und aktuelle Informationen zu liefern. Den Lesern wird jedoch empfohlen, die Fakten unabhängig zu überprüfen und einen Fachmann zu konsultieren, bevor sie auf der Grundlage dieses Inhalts Entscheidungen treffen.