Auch in der islamischen Welt gibt es zurzeit einen regelrechten Krypto- und DeFi-Boom. BeInCrypto hat sich für diesen Beitrag die Beziehung zwischen dem islamischen Finanzsystem und Kryptowährungen genauer angesehen. Außerdem haben wir einige Experten interviewt und einen Blick auf die aktuelle Entwicklung in islamischen Ländern, wie z.B. die Vereinigten Arabischen Emirate, geworfen.
Aktuell erlebt der DeFi-Sektor einen regelrechten Boom in der Krypto-Branche. Kryptoenthusiasten aus wohlhabenden Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten sind bereits auf den Zug aufgesprungen und möchten so viel Profite generieren wie nur möglich.
Allerdings gibt es einige wichtige kulturelle Normen in den meisten muslimischen Ländern, die sich unmittelbar auf Kryptowährungen und den DeFi-Sektor auswirken. Im Islam gelten die Gesetze der Scharia, die sich auch den Finanzsektor umfassen. Die Scharia gibt die Art und Weise vor, die Art und Weise, wie mit Zinsen umgegangen werden soll und wofür Geld ausgegeben werden darf.
Auf diesen Regeln basiert das islamische Finanzwesen. Dies ist ein Bereich des Finanzwesens, der sicherstellt, dass die Finanzsysteme in der islamischen Welt mit der Scharia übereinstimmen.
In diesem Artikel erklärt dir BeInCrypto, wie DeFi-Projekte, die in der islamischen Welt auf den Markt kommen, von dem islamischen Finanzwesen beeinflusst werden und wie die Einhaltung der Scharia die Art von DeFi-Projekten in diesem Bereich verändern kann.
BeInCrypto hat sich außerdem für diesen Artikel mit der aktuellen kulturellem Entwicklung im Nahen Osten beschäftigt und erörtert, welche Lösungsansätze existieren, um kulturelle Barrieren überwinden zu können.
Lass uns allerdings erst einmal das islamische Finanzwesen genauer ansehen.
Die Grundlagen des islamischen Finanzwesens
Im islamischen Finanzwesen gibt es zwei wichtige Verbote:
- Es ist nicht erlaubt, Zinsen zu verlangen
- Es ist verboten, etwas zu kaufen oder in etwas zu investieren, dass schädlich ist oder explizit laut dem Koran verboten ist. Glücksspiel, Alkohol und Tabak sind einige klassische Beispiele.
Die zweite Regel ist ziemlich einleuchtend. Allerdings fragen sich viele Leser bestimmt, wie die Umsetzung der ersten Regel in der Praxis funktionieren soll.
Kreditvergabe, Kreditaufnahme und Hypotheken im islamischen Finanzwesen
Wie erhalten Einzelpersonen in der islamischen Welt eigentlich Hypotheken? Wie nehmen Regierungen, die unter dem Gesetz der Scharia stehen, Kredite für öffentliche Ausgaben auf?
In der Tat gibt es in der islamischen Welt eine elegante und potenziell weniger riskante Lösung für diese zwei Probleme. Das islamische Finanzsystem kommt im Vergleich zu den anderen Finanzsystemen ohne Zinsen aus.
Ein Beispiel: Eine Person möchte ein Haus mithilfe einer Finanzierung kaufen. Die Bank kauft das Haus zunächst selbst. Anschließend vermietet die Bank das Haus für eine vorher festgelegte Laufzeit an die Person, die das Haus später haben möchte. Dabei legt die Bank eine Miete fest, die über die gesamte Dauer der Laufzeit einen Gewinn abwirft.
Am Ende der Laufzeit übergibt die Bank die Eigentumsansprüche an der Immobilie an die Person. Die Bank behält dann den Gewinn ein oder teilt ihn mit den Anspruchsberechtigten (Stakeholder). Stakeholder können im Falle einer Bank die Kunden sein, die ihre Einlagen zur Verfügung gestellt haben.
Entscheidend ist, dass die Einlagen verwendet werden, um eine gewinnbringende Investition zu tätigen, wie auch z. B. in die oben genannten Beispiel oder eben bei öffentlichen Infrastrukturausgaben, deren Gewinne dann beispielsweise später mit den Investoren geteilt werden.
Ist DeFi Scharia-konform?
Das islamische Zinsverbot hat demnach Auswirkungen auf den DeFi-Sektor. Jeder, der in der DeFi-Branche tätig ist, weiß, dass dort Kreditprodukte weit verbreitet sind.
Dazu zählen unter anderem Darlehen, bei denen teilweise (Krypto)-Sicherheiten hinterlegt sind. Aave bietet seit kurzem sogar sogenannte „Flash Loans“ an. Wer also mit DeFi Geld verdienen möchte, kommt also nur schwer darum herum, seine Einlagen zu verleihen.
Laut dem islamischen Finanzwesen wäre es also nicht möglich, die Flash Loans von Aave anbieten zu können, die dem Projekt Liquidität zur Verfügung stellen. Die Zinserträge, die auch als „Annual Percentage Yield“ (jährliche durchschnittliche Rendite) (APY) bezeichnet werden, sind schließlich laut der Scharia verboten.
Legacy Coins sind erlaubt, AAVE verboten
In der Tat schließt die Scharia laut der islamischen Finanzseite Islamic Finance Guru (IFG) die meisten DeFi-Projekte auf DeFi Pulse so gut wie aus. Aave (AAVE), das zweitgrößte Projekt gemessen am Total Value Locked (TVL), kommt aufgrund seines Kreditangebots nicht infrage.
Dezentrale Exchanges (DEXs) können ebenfalls in die Schusslinie geraten – man denke an z.B. SushiSwap, PancakeSwap oder Serum -, da sie Belohnungen für die Bereitstellung von Liquidität in Form von Zinsen anbieten.
Allerdings sind nicht alle Kryptowährungen einer dezentralen Exchange deshalb automatisch verboten. Wenn z.B. ein Moslem eine DEX benutzt oder Sushi kauft bzw. verkauft, fallen ja keine Zinsen an. Darum ist der Kauf einer Kryptowährung im islamischen Finanzwesen nicht zwingend verboten.
Die Seite IFG hat z.B. Uniswap, den Token der DEX Uniswap, „gerade noch“ als Scharia-konform bezeichnet. Sie begründet ihre Entscheidung damit dass die primäre Aufgabe des Projekts/Tokens ebenfalls miteinbezogen werden muss:
Die Frage ist, ob die Kryptowährung Uniswap selbst so konzipiert ist, dass sie auf eine Art und Weise verwendet werden kann, die im Endeffekt Scharia-konform ist
Interessanterweise werden viele ältere Krypto-Projekte wie Bitcoin (BTC), Ethereum (ETH) und Litecoin (LTC) von der IFG zugelassen.
Nur weil man mit vielen DeFi-Produkten wie z.B. Ethereum durch Staking Geld verdienen kann, werden sie deshalb nicht automatisch verboten, solange der Hauptzweck der Kryptowährung Scharia-konform ist.
Glücksspiel, Volatilität und Derivatehandel
Trotzdem können abgesehen von dem Zinsverbot theoretisch auch andere Regeln der Scharia greifen und zu dem Verbot einer Kryptowährung führen. Viele verwenden Bitcoin zum Beispiel dazu, ihr Kapital zu vermehren. In Anbetracht der Volatilität des gesamten Krypto-Marktes könnte eine Investition in diese Krypto-Assets z.B. als Glücksspiel angesehen werden.
Und das verheißt natürlich nichts Gutes für die sich neu entwickelnden Bereiche des Krypto-Derivatehandels oder der Plattformen für synthetische Derivate in der islamischen Welt. Insbesondere die DeFi-basierten Plattformen sind wegen des Zinsverbots davon betroffen.
Kryptowährungen können „vermietet“ anstatt gestacked werden
Derzeit debattieren viele islamische Gelehrte über dieses Thema. Zeitgleich werden islamische Länder zu einem immer größeren Dreh- und Angelpunkt für den Kryptowährungs- und DLT-Bereich.
BeInCrypto hat ein Interview mit dem Alphabit Digital Currency Fund (ADCF), einem Investmentfonds mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten, geführt. ADCF unterstützt und fördert aktiv DeFi-Projekte in der Region.
Laut Saeed Al Darmaki, einem Mitbegründer und Geschäftsführer von ADCF, geht die Innovation im Kryptobereich der VAE über die reine Technologie hinaus.
Projekte, die die Scharia-Konformität sicherstellen wollen, insbesondere im DeFi-Sektor, haben verschiedene Möglichkeiten. Das Problem mit den Zinsen, die man beim Staking erhält, kann man laut ihm wie im obigen Beispiel mit der Hypothek lösen.
Al Darmaki erklärte gegenüber BeInCrypto, dass sich (neue) Projekte im islamische Finanzwesen erst einen strengen Prüfungsprozess durchlaufen müssen. Mehrere Gelehrte sollen dabei miteinbezogen werden. Dadurch könnten potenzielle Streitigkeiten über die Einhaltung der Vorschriften in der Zukunft vermieden werden.
Momentan gibt es nur wenige solcher Projekte in der Region. Das Tempo der Entwicklung und Investitionen im DeFi- und breiteren DLT-Bereich wird jedoch wahrscheinlich zu vielen Innovationen führen.
Die Regierung der VAE fördert aktiv Kryptowährungen
Die Region wird zu einem immer attraktiveren Gebiet für die Krypto-Branche. Die Branche beeinflusst umgekehrt zunehmend nahezu alle Bereiche der Gesellschaft. Dazu gehören das rechtliche, wirtschaftliche, geschäftliche und kulturelle Umfeld.
Al Darmaki erläuterte gegenüber BeInCrypto, warum die Regierung der VAE ein großes Interesse an Kryptowährungen hat bzw. warum sie beabsichtigt, eine ideale Umgebung für den Blockchain- und DeFi-Sektor zu erschaffen.
Seiner Meinung nach ist der juristische Umgang mit Kryptowährungen im Mittleren Osten sehr fortschrittlich und die Menschen sind dort gegenüber Kryptowährungen aufgeschlossen. Er hat interessanterweise erwähnt, dass es nur sehr wenige Entscheidungsträger im islamischen Finanzwesen gibt, die in anderen etablierten Systemen normalerweise den Fortschritt von Unternehmen aufgrund der langwierigen bürokratischen Prozess aufhalten. In der islamischen Welt gibt es laut ihm also ein exzellentes Umfeld für Innovationen und neue DeFi-Apps.
Die Regierung der VAE kürzlich die Emirates Blockchain Strategy 2021 ins Leben gerufen. Die Strategie zielt darauf ab, die Innovationen der Kryptobranche zu nutzen, um öffentliche Dienstleistungen zu verbessern.
Inzwischen verwendet die Regierung für ihre Transaktionen sogar eine speziell dafür eingerichtete Blockchain.
Immer mehr Frauen engagieren sich in den Krypto-Welt der VAE
Die Blockchain-Technologie und DeFi führen zu einem kulturellen Wandel in der Region. Ein bemerkenswerter Aspekt ist die zunehmende Einbeziehung von Frauen in den Kryptowährungs- und DLT-Bereich.
Rim El Aridi, die Mitgründerin und Geschäftsführerin der Agora Group, hilft, diesen Wandel voranzutreiben. BeInCrypto hat sie nach ihren Erfahrungen als Frau in der Blockchainwelt der VAE gefragt.
Sie berichtete BeInCrypto einerseits von den vielen Herausforderungen einer Frau in der DeFi-Welt der VAE. Anderseits könnte das Wachstum des Investment-Ökosystems Frauen ermutigen, verstärkt in der Branche aktiv zu werden.
In einem offenen Brief an die arabische Welt begrüßt El Aridi die wachsende Debatte über die Einbeziehung von Frauen. In dem Brief geht sie auf die Fortschritte ein, die auf der Regierungsebene zu beobachten sind, seitdem Frauen wichtige Schlüsselpositionen übernommen haben.
Die Agora Group hat vor kurzem den Global DeFi Congress in den Vereinigten Arabischen Emiraten veranstaltet, um das Wachstum des Ökosystems voranzutreiben.
Da Investitionen einer der Schlüsselelemente sowohl für die weitere Entwicklung des Marktes in den VAE als auch für die Ermutigung von Frauen sind, in diesen Markt einzusteigen, könnten Scharia-konforme DeFi Projekte in der Tat noch einiges positives im Mittleren Osten bewirken.
Übersetzt von Maximilian M.
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